Und plötzlich muss es Rotwein sein. Bei Norbert Schneiders letztem Album „Medicate My Blues Away“ ging man noch wie ferngesteuert gleich an den Kühlschrank, Bier holen, jetzt also: in den Keller. Lieber gleich nach den besseren Tropfen suchen, könnte ein langer Abend werden. Und ein herrlich unberechenbarer. Denn dieser Schneider, dessen bislang fünf in wechselnden Besetzungen eingespielten Alben dem Blues zuzurechnen waren, klingt plötzlich ganz anders. Hatte er bislang seine Songs allesamt englisch gesungen und ähnelte in seiner Lässigkeit dem Schaffen des erstaunlicherweise niederländischen Bluesmannes Hans Theessink, singt er jetzt auf einmal – deutsch. Oder besser: österreichisch.
Womit sich Schneider nicht nur ein paar Meter abseits bislang beschrittener Pfade, sondern eher wie auf Expedition in einen für ihn vorher unbekannten Kontinent bewegt. Seine Stimme wird intensiver und variabler, die Instrumentierung löst sich aus den Mustern des traditionellen Blues, Schneider watet auch verbal plötzlich knietief im Heimatlichen. In seinen Anmerkungen zum neuen Album „Schau ma mal“ spielt Österreichs ewiger Popstar Falco eine erstaunlich tragende Rolle, zudem singt Schneider Songs von Georg Danzer („Ollas Leiwaund“), Horst Chmela („Wia a Schlafwandler“, „Ana hat immer des Bummerl“) und Karl Hodina („Mir hams mein Schrebergarten gnommen“). „Ich habe mir das jahrelang“, sagt Schneider, „ohne es zu probieren, immer sperrig vorgestellt – ein Lied in Deutsch zu singen, geschweige denn es zu schreiben. Vielleicht hatte ich die wortschwangeren Texte, die Anfang der 00er Jahre so populär waren, immer in den Ohren. Mich sprechen auch bei englischen Texten die am meisten an, die mit einfachen Worten die große Welt beschreiben und nicht umgekehrt“. Wie auf seinem neuen Album jetzt die deutschen, ließe sich hinzufügen. Keines dieser Lieder erinnert zwar in Klang und Form an Ludwig Hirsch, zuweilen allerdings fühlt sich der Hörer doch an eben diesen leider verstorbenen Wiener erinnert. Ein seltsames, leicht verstörendes und gerade deshalb wunderbares Gefühl.
Das beschleicht den Hörer ohnehin bei Schneiders erstaunlicher Wandlung zum mehr oder weniger mundartlichen Chansonnier. Irgendwie klingt alles, was er da so leicht klagend, aber unbekümmert zu singen beliebt, wie eine Heimkehr zu etwas, dass er seine Heimat bisher noch gar nicht nannte. „Moch Di locker, nimm nau an hocka und kumm mit mir auf die Reise“, singt er in „Schau ned so zwider“, „mir is wurscht wos hingeht, lass ma uns a bissl treibn, gestern war gestern und murgn is murgn, lass eam nau amoi brenna, i tät Di so gern amoi lochn segn“. Wer ihn auf dem neuen CD-Cover so sitzen sieht im kleinen Gasthaus Ubl, der ahnt, woher solche Lyrik stammt.
Gemischt und mit dem letzten Feinschliff versehen wurden die Songs von Udo Rinklin und Frank Pilsl. Letzterer ist auch der Produzent von Philipp Poisels No. 1-Album. Insgesamt also war das Team bei „Schau ma mal“ nicht nur ein höchst professionelles, sondern ein vor allem sehr kreatives und spezielles. Norbert Schneider dürfte das Beste sein, was Österreich heuer musikalisch blüht. Mehr bleibt jetzt nicht zu sagen, was unter anderem auch daran liegt, dass die Rotweinflasche leer ist. Schade.
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Quelle: Telemedia Music | Voll:Kontakt