Als Lizzy Plapinger und Max Hershenow 2014 nach New York zurückkehrten, um die Arbeit am zweiten MS MR-Album zu beginnen, waren gerade einmal drei Jahre seit ihrer ersten Begegnung vergangen. Nachdem sie zunächst am College die gleichen Vorlesungen besucht hatten, saßen sie kurze Zeit später in Brooklyn vor Max‘ Laptop und jonglierten mit musikalischen Fragmenten, die sie zu ihrer ganz eigenen Popwelt zusammenfügten. Schnell machten sich Lizzy und Max mit Songs wie „Bones“ und „Hurricane“ einen Namen, veröffentlichten im Mai 2013 ihr Debütalbum „Secondhand Rapture“, das bis heute über dreißig Millionen Streams verzeichnet. Sie wurden bei großen Festivals für die Hauptbühnen gebucht und waren schon bald das gefeierte Alternativ-Pop-Duo, das sowohl Fans als auch Medien mit unwiderstehlicher Anziehungskraft, mitreißender Ausgelassenheit und einem prägnant-facettenreicher Style überzeugte.
Die Tage, in denen die beiden ihre Musik anonym bei Tumblr veröffentlicht hatten, sind mittlerweile lange vorbei – bei ihrer Rückkehr nach New York waren MS Plapinger und MR Hershenow nicht mehr diejenigen, die sie vor ihrer Abreise gewesen waren. Sowohl als Texter, Sänger, Produzenten als auch auf der Bühne zeigte sich das Duo verbessert und fokussierter. Ihr Ziel: das Gelingen der komplizierten Alchemie von Subversion und Direktheit, die für sie einen modernen Pop Act ausmacht. Ab sofort galt das gemeinsame Streben nicht mehr nur dem Glück alleine, sie wollten Kontrolle.
Bei dem ganzen Vergnügen, das ihnen die vergangenen zwei Jahre beschert hatte, war dem Duo allerdings auch etwas schwindelig geworden. Sie hatten tausende Ideen für das neue Album, und um diese kanalisieren zu können, versetzten sie sich zurück in die Gefühlswelt ihrer frühen, namenlosen Anfangsphase, um jene ungekünstelte Nähe und Intimität zu erzeugen, die einst die Keimzelle ihrer Musik gewesen war. „Secondhand Rapture“, das sie in den legendären Electric Lady Studios fertig gestellt und vor zehntausenden Menschen gespielt hatten, wurde für gerade einmal 500 Dollar (!) im Gästezimmer einer Wohnung in Brooklyn aufgenommen. Als sie damit begannen, ihre Ideen auszuarbeiten, die letzten Endes das ekstatische, elektrisierende Album „How Does It Feel“ ergeben sollten, war es nicht der Glamour, sondern die ganz besondere MS MR-DIY-Ethik, an der sie ihren Kompass ausrichteten. Lizzy und Max mieteten sich ein Zimmer in Bushwick und holten MS MR-Drummer Zach Nicita als Co-Produzenten dazu. Drei Monate lang arbeiteten sie wie in ihrer Anfangszeit: den ganzen Tag, die ganze Nacht, ohne Toningenieur, ohne irgendeinen Außenstehenden und ohne besonderes Zusatz-Equipment. Und genau wie früher kleidete Max Lizzys Gesangskabine mit schweren Laken aus, die er an die Wände drapierte.
Wenn man auf diese Art und Weise Musik macht, bleibt nichts im Verborgenen, alles ist für jeden ersichtlich; die Intentionen von MS MR waren eindeutig und „How Does It Feel“ spiegelt sie wider. Mit dem Album erdet sich die Band erneut, es ist aber gleichzeitig auch eine ganz bewusste, triumphale Weiterentwicklung. Wie bereits die „Candy Bar Creep Show EP” und das Debütalbum „Secondhand Rapture” offenbart das Album dunklen, epischen, synthetisierten Alternative-Pop, glasiert mit zuckersüßen Hooklines und durchwirkt von bitterer Alltags-Lyric. Gleichzeitig ist „How Does It Feel“ leuchtend, gestochen scharf, gewaltig und neu. Die Bässe und Rhythmen, die auch die Live-Shows der Band antreiben, sind berauschend und voller Wucht. Max‘ Produktion ist hypnotisch wie eh und je, verfügt aber über eine spürbar gestiegene Sicherheit. Vor dem kaleidoskopischen Hintergrund aus Bläser-Synths, perkussiven Fanfaren, elektronischen und organischen Strukturen, besticht Lizzys Gesang wie gewohnt mit Wärme und Intimität, strahlt dabei jedoch eine neue Präsenz, Größe und Bestimmtheit aus.
Die klangliche Direktheit macht „How Does It Feel“ zu einem ungewöhnlichen, zweiten Album, das sich wesentlich persönlicher anfühlt als das erste. Im Gesamtsound stehen Max und Lizzy an vorderster Front, er zoomt auf ihre so verschiedenen, aber dennoch perfekt ergänzenden Hintergründe und löst sie heraus aus der surreal-schattenhaften Atmosphäre ihrer frühen Veröffentlichungen. Die Melodien lassen Lizzys Kindheit in Großbritannien erahnen, die Energie des Londoner Indiepop hat ihre Spuren bei der charismatischen Sängerin hinterlassen, die als Gründerin des Connaisseur-Pop-Labels Neon Gold selbst an der Entdeckung und Weiterentwicklung junger Musiktalente beteiligt ist. Max verbrachte seine Jugend in Latein Amerika, am Vassar College gründete er eine Band, am Martha Graham Center Of Contemporary Dance studierte er Tanz und Choreographie.
Für Lizzy und Max kommt das Musikmachen der Erschaffung neuer Universen gleich. Jeder Song ist etwas In-Sich-Geschlossenes und Neues. Auf „How Does it Feel“ hält das Duo stets die Balance zwischen Ambition und Songwriting, die zwölf Songs sind geprägt von Beharrlichkeit und Hingabe. Das Album beginnt mit der Single-Auskopplung „Painted“, bei dem Lizzy Mantra-artig immer wieder die Frage „…what did you think would happen?” wiederholt. Es folgt das freche, Timbaland-eske „No Guilt In Pleasure“, in dem Lizzy singt: „No one on the outside has heard from me in weeks/ Wrapped up in the chaos/ Come too far to recede”, bevor sie den Refrain “Who are we to stay away?” übergeht.
Es gibt aber auch Augenblicke hart erkämpfter Intimität, wie die raue, bittersüße Ballade „Wrong Victory“, dessen Refrain gleichsam Sturm und Regenbogen in sich birgt. Und genau so fühlt sich „How Does It Feel“ an: wie etwas Magisches, dass inmitten eines turbulenten Malstroms entsteht. Es ist das Licht, dass sich einen Pfad durch das Chaos brennt. In vielerlei Hinsicht ist es ein Album über den kreativen Prozess von MS MR: zwei Freunde, die ihre Erfahrungen aus zwei Jahren plötzlichen Ruhms mit zurück in ein unscheinbares Zimmer nach Brooklyn gebracht haben. Sie verwandeln Krach in Geschichten, Durcheinander in Gedanken. Der Titelsong offenbart eine Art Ende für diese Geschichte, und im Refrain das Versprechen: „I won’t let you down“. Immer und immer wieder.
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Quelle: Sony Music