ALBUM | Miu „Watercoloured Borderlines“ | ab heute im Handel erhältlich

Warum soll ich Ponyreiten?

Mit „Watercoloured Borderlines“ legt Miu ihre Debütplatte vor. Eine Sammlung von wohl ausbalancierten Stücken. Seelenvolle Stücke, in denen richtig viel los ist. Die aber genau deshalb in sich ruhen, weil nichts fehlt. Aber es darf auch nichts weggenommen werden. Der strahlend blonden, überaus charmanten Hamburgerin mit den schwarzen Wimpern und der aufregenden NuSoulstimme wird die Musik nicht gerade in die Wiege gelegt. Und statt des in der Kindheit heiß ersehnten Klavierunterrichts, gibt es auf Wunsch der Eltern erst mal Ponyreiten.
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Total auf Musik gepolt

Miu entstammt einer klassischen Radiohörfamilie. Platten sind Mangelware. Und auch ansonsten spielt Musik keine prägende Rolle. „In der Familie hat keiner etwas mit Musik zu tun gehabt“, erinnert sich Miu, „und doch haben mich meine Eltern zur frühkindlichen, musikalischen Erziehung gegeben. Sofort hatte ich Blut geleckt. Und unbändigen Spaß. Warum also sollte ich Ponyreiten?“ Von diesem Zeitpunkt an ist Miu endgültig und total auf Musik gepolt. „Im Auto wollte ich immer Klassiksender hören“, fährt die Sängerin fort, „und habe dann immer versucht herauszuhören, welche Instrumente in den Stücken zu hören sind.“ Sicherlich nicht die schlechteste Art, das Gehör zu schulen. Irgendwann ergibt sich die Familie auch dem sehnlichsten Wunsch Mius und sie darf mit dem Klavierspielen angefangen. Dabei bleibt es nicht. „Als ich elf Jahre alt war, habe ich auch Querflöte im Orchester gespielt, naja, nicht mördermäßig gut, aber eben gespielt“, fährt Miu fort, „aber gesungen und geträllert habe ich immer. Unter der Dusche oder bei mir im Kinderzimmer.“ Aber zum richtigen Singen ist sie erst recht spät gekommen. Mit 15 Jahren. Dann aber gleich richtig. „Ich hatte in der Schule eine Lehrerin, die mit uns Songwriting thematisiert hat“, freut sich Miu heute noch, „da musste jeder seine kleinen, selbst komponierten Stücke auch vorsingen.“ Welch ein Glück. Denn seitdem schreibt Miu Lieder. Aber mehr als ein Hobby ist das Singen auch danach nicht. Der weitere Weg führt zunächst zu einem ganz normalen Brotberuf. In der Werbung. „Es war zumindest etwas Kreatives, mit Sprache“, reflektiert die Hamburgerin, „und wenn du eine Präsentation entwickelst und schließlich vorstellst, stehst du ja auch auf der Bühne. Fast ist es so, als würde man etwas vortanzen. Doch kann ich nicht leugnen, dass die ganze Zeit die Musik unaufhörlich im Inneren an mir nagte.“
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Ich war noch niemals in New York

Miu wollte immer mal nach New York und hat das irgendwie nicht hingekriegt. Doch jetzt ist ihre Ausbildung zu Ende und die ersten richtigen Gehälter fließen. Und schon brennt der New York-Wunsch wieder lichterloh in ihr. „Ich bin dann wirklich hin und habe mir die Stadt mädchenmäßig angeschaut“, gesteht Miu, „ich wollte den Treppenaufgang zu Carrie Bradshaws Wohnung aus ‚Sex And The City’ sehen, ich wollte mir zu teure Schuhe kaufen und anschließend jeden Tag auf dem Times Square sitzen und mir bunte Lichter angucken.“ Doch auch bei Planungen des New York-Trips erklingt Musik in Mius Innerstem. Könnte sie im Big Apple nicht Musik machen? Irgendwo singen? Beim Rumsuchen stößt sie auf The Bitter End. Eine New Yorker Clublegende. Seit Anfang der 1960er Jahre fand in dem Club jeden Dienstag ein Open-Mic-Folkabend statt, mit vielen Künstlern die nach ihrem Auftritt dort zur Legende wurden, darunter Donny Hathaway und Marvin Gaye. „Inzwischen haben sie sonntags eine Singer Songwriter-Session“, findet Miu heraus, „genau das Richtige für mich. Also habe ich ein ganz, ganz grottiges Demoband hingeschickt. Eins, dass ich zuhause am Klavier und einem Computermikrofon aufgenommen hatte.“ Tatsächlich wird Miu eingeladen und darf 15 Minuten lang ihre Lieder spielen. Es sollte aber nicht bei diesen 15 minutes of fame (wie Andy Wharhol es ausdrückte) bleiben. Veränderung ist angesagt. In Raten verabschiedet sich Miu von der Werbebranche und wendet sich vollends der Musik zu. Ihre Skizzenbücher sind bis zum Bersten gefüllt. Die Inhalte schreien förmlich danach zu großen Liedern werden zu dürfen. Miu trommelt eine Band zusammen – an den Tasten Joscha Farries, am Schlagzeug Nando Schäfer, am Bass Daniel Otte und last but not least an der Gitarre Arne Vogeler. Und dann ist da noch die Bläserabteilung, bestehend aus Posaunist Matti Wagemann, Saxofonist David Jedeck und Trompeter János P. Löber. Motown und Stax lassen grüßen.
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Drei Millionen Sprachfetzen

„Das kleine Archiv, das ich auf meinem Handy mit mir herum trage, muss wohl drei Millionen Sprachfetzen umfassen. Beobachtetes. Erlebtes“, sagt Miu amüsiert, „und Musiksplitter vielleicht noch mehr.“ Daraus werden jetzt endlich Stücke. „Manche Ideen für Lieder entstehen, wenn ich am Klavier rumtüdele und einer hübschen Melodie nachspüre“, fährt sie fort, „andere, wenn Arne, unser Gitarrist, mir Riffs oder Akkordfolgen schickt.“ Diese Ideen werden dann ins Feuer der Band-Probe geschickt. Liebevoll wird dann aus dem, was mit Mius Stimme und einem Harmonieinstrument schon prächtig funktioniert ein großes Arrangement mit allem Zipp und Zapp geschrieben. Mit viel Zeit und Energie; denn solch Arrangement entsteht nicht mal eben im Vorbeigehen. „Doch sind wir keine solchen Frickler und Tüftler, die ein Stück zu Tode denken“, erzählt Miu, „es muss atmen können und viel Luft haben. Gerade dann, wenn sich darin ordentlich was abspielt.“ Und was sich da abspielt! Die Lieder haben Breitwandformat. Ist es Pop? Oder Jazz? Oder etwas ganz anderes? Egal – Miu geht es um Musik. Pure Musik, die Genregrenzen nicht kennt, weil Miu sie nicht braucht. „So arbeiteten wir beispielsweise an einem Soulstück und dann war da plötzlich ein Discobeat drin. Auf den ersten Blick nicht passend. Auf den zweiten absolut cool“, gibt sie zu Protokoll, „nenn’ es gewagte Musik oder lieber Soul-Pop mit links und rechts weggucken.“ Diese Wegguckblicke schweifen in die Notenwelten von Alicia Keys, Norah Jones. Von Lauryn Hill, Adele, Ella Fitzgerald zu Amy Winehouse. Mius mitreißender Gesang atmet die Kraft und die Wärme der Timbres dieser großen Frauen. Dass Mius Stimme so warm, erdig und echt klingt, ist auch ein Verdienst des Produzenten Dennis Rux (ehemals Musiker bei Trashmonkeys oder Rhonda) und den Möglichkeiten in seinem Yeah!Yeah!Yeah!-Analogstudio.

Mit „Watercoloured Borderlines“ haben Miu und ihre Band ein Album vorgelegt, das vor unverwechselbarem Charme geradezu strotzt. Das ehrlich und echt ist, das Kante und Persönlichkeit hat. Was kann sich der geneigte Hörer mehr wünschen?

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Quelle: Herzog Records | Promotion Werft