ALBUM | NOFX „First Ditch Effort“ | ab heute

Sind wir mal ehrlich: Was gibt es noch zu sagen über NOFX? Nach mehr als 30 Jahren sind die amtierenden Könige des Punk Rock aktuell so präsent wie schon lange nicht mehr. Passenderweise ist das neue Album „First Ditch Effort“ das Dreizehnte in Ihrer langen Bandkarriere. Passend deshalb, weil über dieser Sammlung von Songs ominöse schwarze Wolken hingen.

Frontmann Fat Mike rechnet viel davon dem Schreibprozess hinter NOFX an: The Hepatitis Bathtub And Other Stories, die NOFX Autobiografie, welche schnell den Weg in die New York Times Bestsellerliste fand, zwang Mike sich den Geistern seiner Vergangenheit zu stellen und sie in einer Weise zu überdenken, die nicht immer sehr angenehm war. Zur Freude der Fans erscheint das Buch übrigens am 12.12.2016 in deutscher Übersetzung.

„Dieses Album ist persönlicher, als alles was ich bisher gemacht habe. Durch das Schreiben des Buches und der intensiven Auseinandersetzung mit den darin enthaltenen Themen, öffneten sich für mich und meine Gesangsideen neue Türen“, erklärt Fat Mike. Allerdings würde es nicht nach einem NOFX Album klingen, ohne die starken Performances von Gitarrist Eric Melvin, El Hefe, sowie von Schlagzeuger Smelly. Anders als vorher war diese mal Melvin am Songwriting beteiligt Seine Beiträge zu “It Ain’t So Lonely At The Bottom” und “I Don’t Like Me Anymore” sowie sein signifikanter Gesang auf dem Opener “Six Years On Dope” üben einen hörbaren Einfluss auf diese Songs aus, der selbst die meisten Hardcore- Fans überraschen wird. „Du erwartest es nicht und denkst dir nur, was zum Teufel?“, sagt Mike zum Opener. „Das Lied erinnert mich an ein Treffen zwischen wütenden Samoanern und der Bronx und ich glaube nicht, dass es schon mal etwas gab, das so klingt.“

Ungeachtet dessen, dass NOFX als Mitbegründer des melodischen Punk-Musik gelten (gemeinsam mit ihren langjährigen Kollegen wie Bad Religion und Rancid), haben sie nie versucht sich zu wiederholen und das gleiche Album zweimal zu schreiben. In dieser Tradition überschreitet auch „First Ditch Effort“ abermals musikalische Grenzen. „Eines der Dinge, auf die ich bei diesem Album besonders stolz bin, ist der Song „California Drought“. Er ist in einem Rhythmus geschrieben, welchen, wie ich glaube, noch nie zuvor jemand genutzt hat. Fat Mike fügt noch hinzu, dass die letzten Jahre, welche er mit der Arbeit an seinem Musical Home Street Home verbracht hat, dieses Album unbewusst mit beeinflussten, sei es über die vollkommene Harmonie oder die Prävalenz des Klaviers. „Ich habe so viele verrückte Songs für das Musical geschrieben,  die zwar eine „künstlerische Form“ hatten, aber trotzdem  Barrieren überwanden.“, antwortet er auf die Frage, warum das Album so inspirierend klingt.

Fat Mike lobt auch die Unterstützung von Produzent Cameron Webb (Motörhead, Alkaline Trio) der die Songs so dynamisch mache. „Cameron hatte viele Ideen hinsichtlich der Arrangements auf die ich niemals gekommen wäre.“, erklärt er. Tatsächlich war die Band so voll mit Eingebungen, dass sie 18 Songs für das Album schrieben und ihnen sogar Ideen kamen, ohne es einmal zu versuchen. „Der Song ´Ditch Effort´ kam quasi aus dem Nichts, während wir jammten.“, erinnert sich Fat Mike. „Das ist nicht normal für uns, aber wir begannen zu spielen und er hatte so viel Power und es fühlte sich so gut an ihn zusammen zu spielen. Somit mussten wir ihn einfach auf das Album setzen.“ Die Band beweist außerdem, dass sie ihre angeborene Fähigkeit tolle Hooks zu schreiben nicht verloren haben. Das Verschwörungstheorie-getränkte „Sid And Nancy“ wie auch der selbsreflektierende Rocker “ I Don’t Like Me Anymore“ gehören zu den eingängigsten Songs der Band überhaupt.

Dennoch liegt eine gewisse Schwere und Düsterheit im Zentrum von First-Ditch Effort, eine Tatsache, welche sich am deutlichsten in Mikes musikalischer Laudatio zu No Use For A Name´s Frontmann Tony Sly („I´m So Sorry Tony“), als auch im  apokalyptischen Song „Generation Z “ zeigt, welcher durch den Gastgesang von Mikes 11 -jährige Tochter Darla begleitet wird. „Viele Leute werden mich in einem anderen Licht sehen, nachdem sie das Album gehört haben.“, erklärt Mike. „Ich glaube, ich fühlte mich auf dieser Platte wohler, Ich selbst zu sein. Ein großer Teil davon kam durch die Beziehung mit meiner Frau und mein Engagement in der BDSM Welt. Früher lebte ich den Großteil meines Lebens im Privaten, aber so langsam habe ich begonnen zu Partys und in die Öffentlichkeit zu gehen, ohne mich für meine wahre Identität zu schämen und dieses Selbstbewusstsein hat sich nun auf mein gesamtes Leben übertragen.“, erzählt er weiter. „Wenn du in Gummi, Stiefeln und Korsett in Jamaica in einer Schlange auf dein Omelett wartest, nun ja, dann gibt´s es wohl keinen Ort, an den du nicht mehr gehen kannst.“

Nach dem Kampf gegen die Skinhead- Punks in den achtziger Jahren, gegen die Major-Labels in den Neunzigern und George W. Bush in den frühen 2000ern,  müssen sich NOFX nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen und sind endlich bereit, ihren Erfolg und die Öffentlichkeit zu genießen.

„El Hefe und ich gingen vor kurzem auf eine Party und Ich glaube, es war das erste Mal, das wir unter Leuten waren und es uns wirklich Spaß gemacht hat.“, erinnert sich Fat Mike. „Ich denke der Schreibprozess für das Buch, die dazugehörige Tour und auch die Aufnahmen zu unserem neuen Album hat uns alle näher zusammengebracht und einen Bund geschaffen, den wir anders wohl nie entdeckt hätten.“, fasst er zusammen.

Diese neu gewonnene Erkenntnis  ist selbst in den dunkelsten Momenten auf „First Ditch Effort“ so präsent, dass das Album zum perfekten Soundtrack macht, sowohl für einen Neuanfang als auch für das Ende der Welt.

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Quelle: Voll:Kontakt