DVD | Der schwarze Kanal: 1961 – 1989 DDR Politpropaganda | ab heute im Handel

„…die vielen Stunden Material geben dem Zuschauer nun die packende Gelegenheit, in die Untiefen des geistigen Kalten Krieges einzutauchen und die großen politischen Auseinandersetzungen der 60er, 70er und 80er Jahre Revue passieren zu lassen.“

(Stefan Raue, Chefredakteur des MDR)

Achtundzwanzig Jahre lang war Karl-Eduard von Schnitzler Chef-Propagandist und Gesicht des „Schwarzen Kanals“ im DDR-Fernsehen. Wöchentlich zeigte und kommentierte er voller Polemik in seiner Sendung Ausschnitte aus dem TV-Programm des westdeutschen Klassenfeindes, was ihm auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs den Spitznamen „Sudel-Ede“ einbrachte. „Der schwarze Kanal“ war dabei das von ihm gewählte Synonym für eben dieses BRD-Fernsehen, aus dem er –teilweise aus dem Zusammenhang gerissen und damit sinnentstellend- Passagen aus Nachrichten- und Politikmagazinen einspielte. So wurde die Sendung, wenn auch bei über die Jahre sinkenden Einschaltquoten, selbst zum Dokument deutsch-deutscher Zeitgeschichte.

Aus den (leider nicht komplett) erhaltenen und heute im Besitz des Deutschen Rundfunkarchivs befindlichen Sendungen vereint diese Kompilation mehr als dreißig Folgen. Schwerpunkte liegen dabei auf historischen Begebenheiten wie dem Bau der Berliner Mauer 1961, dem 1970er Erfurt-Besuch von Willy Brandt bis hin zum Exodus der DDR und dem gleichzeitigen Ende von „Der schwarze Kanal“. Darüber hinaus äußert von Schnitzler sich über die Jahre immer wieder zu gesellschaftlichen Auswüchsen im Westen und frönt seinen Feindbildern Adenauer, Strauß & Co.

„Der schwarze Kanal – 1961 bis 1989“ ist die bisher einzige DVD-Dokumentation einer der umstrittensten Polit-Sendungen aus vierzig Jahren DDR.
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  • DVD 1: 1960 bis 1961 (u.a. erste Sendung, Bau der Berliner Mauer)
  • DVD 2: 1962 bis 1965 (u.a. SPIEGEL-Affäre, Bundestagswahl 1965)
  • DVD 3: 1968 bis 1970 (u.a. Attentat auf Rudi Dutschke, Brandt-Reise nach Erfurt)
  • DVD 4: 1971 bis 1972 (u.a. Olympia in München)
  • DVD 5: 1973 bis 1981 (u.a. Sonderstatus von West-Berlin, Republikflucht)
  • DVD 6 : 1989 (u.a. 40 Jahre DDR, Massenflucht aus der DDR, letzte Sendung)

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Karl-Eduard von Schnitzler, auch bekannt als Sudel-Ede, Chefkommentator des Fernsehens der DDR, und sein „Schwarzer Kanal“, wer will das noch sehen?

Zwischen dem 21. März 1960 und dem 30. Oktober 1989 hat Schnitzler 1519 Mal zur Attacke gerufen. Fast jeden Montag zur besten Sendezeit schlug er mit dem groben Propaganda-Hammer im Namen von Staat und Partei alles klein, was seiner DDR und seiner SED im Wege stand, vorzugsweise die Bundesrepublik im Westen, ihre Politiker und ihre Medien.

Wer will das noch sehen? Die Zutaten seines wöchentlichen Agitationsauftritts waren einfach. Ein Zausel in Grau mit starken Brillengläsern und unangenehm knarzender Stimme kämpfte sich durch lange kompliziert gebaute Sätze ohne Punkt und Komma und präsentierte zum Beleg seiner steilen Thesen oder als deren Anstoß Ausschnitte aus westdeutschen TV-Sendungen, vorzugsweise aus den politischen Magazinen von ARD und ZDF, Monitor, Panorama, Kontraste, Kennzeichen D und wie sie hießen.

Anti-Fernsehen ohne Dramaturgie, ohne Witz, ohne Ausstrahlung, ohne Emotionalität, ein älterer Herr verkündet in langen verquasten Monologen seine Sicht auf die Dinge. Manche liebten ihn dafür, viele hassten seine demagogische Sprache, und die Westdeutschen, gegen die es eigentlich in Schnitzlers Tiraden ging, die fanden seine Auftritte eher schrullig.

Ein ungerader Lebensweg. 1918 im feinen Berlin-Dahlem geboren, der Vater Diplomat in wilhelminischen Diensten, die gesamte Verwandtschaft reinste Bourgeoisie.

Seit jungen Jahren sieht Schnitzler sich auf der anderen Seite. Eintritt in die Sozialistische Arbeiterjugend, im Krieg Strafbataillon 999, kommunistische Widerstandarbeit, aus der Kriegsgefangenschaft kurz zur BBC, dann Nachkriegsjahre als Journalist beim neugegründeten NWDR in Köln. Wegen kommunistischer Propaganda auf dem Sender gekündigt und 1948 von West nach Ost in die SBZ gewechselt.

Seit 1948 auch SED-Mitglied, wird er bereits 1952 Leiter der Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees. Als Chefkommentator und Propagandist überlebt er jeden Kurswechsel und jede politische Veränderung der DDR, ein ideologischer Überlebenskünstler, der 2001 in Zeuthen als überzeugtes DKP-Mitglied stirbt.

Wer will das noch sehen? Neun Tage vor dem Fall der Mauer war Schnitzlers Zeit als Chefkommentator abgelaufen. Ein Publizist ohne Publikum. In den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR und dem Start des neu vereinten Deutschlands mochte an dieses Kapitel des Kalten Krieges mit seinem schrillen dogmatischen und aggressiven Ton niemand mehr erinnert werden. Sudel-Ede hatte den Mauerbau 1961 gerechtfertigt und die Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze, hatte Adenauer, Erhard, Brandt, Strauß, Kohl verhöhnt,  die Bundesrepublik als Hort des Kapitalismus markiert, als Ort der Reaktion, des Militarismus, des Imperialismus, der Korruption, der Ausbeutung, das ganze Gebetbuch des stalinistischen Denkens mit seinem starren Freund/Feind-Denken war ja auch viele Jahre nach Stalins Tod noch die wöchentliche Litanei gegen den Westen.

Und als es ab Mitte der 80er Jahre dann auch im gleichen Stil gegen Gorbatschow und gegen die eigene DDR-Bevölkerung ging, die sich zunehmend aufmachte, Schnitzlers Paradies, die DDR auf dem Fluchtweg zu verlassen, da wurde es um den alten Mann und seine wöchentlichen Gift-und Galle-Kanonaden einsam.

Nun, so viele Jahre nach dem Versiegen des „Schwarzen Kanals“, sieht man die Schnitzler-Konserven mit Gelassenheit und Abstand. Und die vielen Stunden Material geben dem Zuschauer nun die packende Gelegenheit, in die Untiefen des geistigen Kalten Krieges einzutauchen und die großen politischen Auseinandersetzungen der 60er, 70er und 80er Jahre Revue passieren zu lassen.

Mauerbau,  die 68er Revolte in Westdeutschland,  die westdeutsche Ostpolitik, die Aufrüstung in Ost und West, alles im Spiegel des altkommunistischen Kalten Kriegers und vieler Filmbeiträge westdeutscher Sender. Und so nebenher sind in dieser Chronik des Untergangs der DDR wider Willen auch überraschende kleine Beobachtungen zu machen.

Für die Nachgeborenen ist es kaum noch nachzuvollziehen, wie der Bau der Mauer und der mörderischen innerdeutschen Grenze gerechtfertigt wurde,  oder die Flucht vieler Bürger („Kriminelle“, „Betrüger“, „Ausreißer und Flüchtende“) oder die wachsende Bewegung gegen die SED und ihren Machtanspruch („Schreihälse ohne Köpfe“).

Schnitzler gab den Parolen und Kampfbegriffen der Partei Gesicht und Stimme, und das in eindeutiger und ungeschminkter Offenheit. „Der sozialistische Staat, der bleibt!“, donnerte Schnitzler noch im Herbst 1989, man kann ahnen, warum die Führung der DDR und der SED in diesem Bewusstsein so wenig wahrnehmen konnte, was im Lande und auf den Straßen zwischen Plauen und Rostock eigentlich los war.

Wer also die große Distanz zwischen kommunistischer Parteiideologie und dem richtigen Leben in diesen drei Jahrzehnten DDR tatsächlich spüren will, dem sei der Blick in diese zeithistorischen Dokumente sehr empfohlen. Und manches im „Schwarzen Kanal“ wirkt dann auf einmal auch sehr aktuell.

Schnitzlers lange Tiraden gegen die hetzerischen und verleumderischen Westmedien, deren Filmbeiträge er dann allerdings doch zur Illustration seiner demagogischen Monologe gegen den Westen nutzt. Schnitzler glaubte nur, was er glauben wollte.

Da ist die Wortwahl  und die Verbohrtheit zu spüren, die Pegida und Co. heutzutage beim Kampf gegen die vermeintliche „Lügenpresse“ nutzen. „Wir sind Chronisten, wir wiegeln nicht auf!“, sagt ein tapferer westdeutscher Reporter in die Kamera, aber Schnitzler lässt das nicht gelten.

Und der Atem stockt einem bei einigen Filmausschnitten westdeutscher Politmagazine, in denen es im Sommer 89 um die Aufnahme und Integration der DDR-Flüchtlinge in der Bundesrepublik geht. Da war einigen Westdeutschen der große patriotische Jubel  schon vergangen. Die Angst um die Arbeitsplätze und die Wohnungen ging um, die Sorge, zugunsten der Landsleute aus dem Osten müsse zwischen Kiel und München verzichtet werden. Da wird man augenblicklich an die Flüchtlingsdebatte der Jahre 2015 und 2016 erinnert. „Was wollen die hier? Wir haben selbst Probleme!“, sagen ein paar Passanten in einer westdeutschen Fußgängerzone dem betroffenen Reporter.

Willkommenskultur und ablehnende Ignoranz waren auch im Sommer 89 feindselige Geschwister.    

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Stefan Raue
Chefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunk,
August 2016

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Quelle: KNM Home Entertainment GmbH