ALBUM | Tove Lo „Lady Wood“ | im Handel

An ihren ersten großen Liebeskummer kann sich Tove Lo noch lebhaft erinnern. Der Typ, der ihr das Herz brach, hieß Erik und war umwerfend. „Ich war auf der Stelle in ihn verliebt“, erzählt sie. Doch wie wir aus Songs wie „Habits (Stay High)“ wissen, ist es mit der Liebe kompliziert. Statt ihre Gefühle zu erwidern, interessierte sich Erik für ihre Freundin, und Tove war am Boden zerstört. „Ich habe ewig geweint damals“, erinnert sie sich lachend. „Damals“ war sie acht Jahre alt.

Und bis heute sind die Höhen und Tiefen der Liebe das Spezialgebiet der gebürtigen Stockholmerin. Ihr zweites Album Lady Wood, das am 28. Oktober erschien, ist eine Expeditionsreise durch die verästelten Ströme von Sex und Liebe. Und das unter einem ironisch-anrüchigem Titel – „Wood“ bedeutet soviel wie „Ständer“ –, der Tove Los Ruf als „traurigstes Mädchen in ganz Schweden“ Lügen straft. Wahr ist jedoch, dass sich Tove Lo gern mit der dunklen Seite des Lebens beschäftigt. Die Inspiration zu „Cool Girl“, der ersten Single des Albums Lady Wood, lieferte der düstere Psychothriller Gone Girl. Der Song beschreibt, wie hohl und widersprüchlich es für junge Frauen ist, sich dem gängigen Weiblichkeitsideal des coolen, stets locker-entspannten „Girls“ anzupassen, um für Männer attraktiv zu sein. „Wenn man etwas Neues schafft, versucht man immer, die eigene Komfortzone hinter sich zu lassen“, erklärt Tove Lo, die ihre Songs und Texte selbst schreibt. „Es ist in Ordnung, wütend oder niedergeschlagen zu sein. Man kommt da auch selbst wieder raus. Wir sollten nicht so große Angst vor unseren Gefühlen haben.“

Für ihr Platin-Debüt Queen of the Clouds aus dem Jahr 2014 beschwor Tove dann auch gleich einen ganzen Orkan an Emotionen, Hormonen und Kummer herauf – und schaffte es, all diese geballten Gefühle zu einem Ausdruck ergreifender Ehrlichkeit zu erhöhen. Das üppig-dekadente „Habits (Stay High)“ stieg auf Platz 3 der Billboard-Charts, und „Talking Body“, eine lustvolle Hommage an Tabus, kletterte auf Platz 12.

Lady Wood stellt eine Weiterentwicklung gegenüber dem Vorgängeralbum dar: innerlich zerrissener, nuancierter und feministischer. „Es gibt keine weibliche Entsprechung für den Ausdruck ‚einen Ständer kriegen‘“, erklärt sie in Bezug auf den Namen ihres zweiten Albums, dessen titelgebender Track gängige Moralvorstellungen subtil  zurückweist. „Ich finde den Begriff sehr ausdrucksvoll und witzig.“ In der Welt von Tove Lo sind Humor und Herzschmerz wesentliche Bestandteile des Lebens. „‘Lady Wood‘ ist eine sehr treffende Beschreibung für das Album, denn es steckt voller Songs, in denen es um Leidenschaft und Anziehungskraft geht – dieser intensive Moment direkt vor dem ersten Kuss, der ein echtes High ist.“

Das Album ist in zwei Kapitel unterteilt: „Fairy Dust“ und „Fire Fade“. „Das sind im Grunde die Gefühlskurven, die ich bei jeder Art von leidenschaftlichem Rausch durchlebe“, erklärt sie. Dabei kann es um romantisches Flimmern ebenso gehen wie um die Gefühle auf der Bühne. „Wenn ich beim letzten Song im Set das Mikro in die Menge halte und alle mitsingen – ein größeres High gibt es nicht“, so Tove. „Dann laufe ich zurück in die Garderobe, mache die Tür zu, und plötzlich ist irgendwie alles still. Gerade noch war da dieser Rausch, und ich sitze da und denke: ‚Was war das?‘“

Im Kapitel „Fairy Dust“, zu dem Songs wie der verführerische Slow Jam „Influence“ sowie der stromernde Titel-Track zählen, geht es um den Moment der Vorfreude, das Bibbern vor dem großen Augenblick. Die Songs im Kapitel „Fire Fade“ dagegen – darunter das anschwellende, hemmungslose „Keep It Simple“ und das extrem selbstbewusste „WTF Love Is“ – fangen die Momente ein, in denen der anfängliche Nervenkitzel langsam abflaut.

Die Aufnahmen zu Lady Wood machte Tove in den ersten drei Monaten des Jahres 2016. Sie fing in Schweden mit der Arbeit an dem neuen Album an und ging dann nach L.A. Dabei weitete sie ihr stimmliches Repertoire vom reinen Pop über R&B bis hin zu Soul aus. Den krönenden Abschluss bildete eine Session mit dem Rapper Wiz Khalifa, den sie persönlich gebeten hatte, bei „Influence“ mitzuwirken. Der Song, der um eine starke Bassline herum aufgebaut ist, behandelt ein Thema, mit dem sich Tove gut auskennt: veränderte Bewusstseinszustände als zweischneidiges Schwert. In dem Track geht es um Momente, „in denen man aus Versehen zu viel sagt und das später bereut“, erklärt sie. „Doch es geht vor allem um den Moment, in dem man das alles fühlt und sich denkt, wow, das ist ja der Wahnsinn! Ich liebe die ganze Welt!“ Khalifa, der bei seinen Reimen völlige Gestaltungsfreiheit hatte, nahm seine Schnellfeuer-Verse, die einen starken Kontrast zum atmosphärischen Nebelschleier des Songs bilden, in einem einzigen Take auf. „Wir hingen im Studio ab und haben aus einer Apfel-Bong geraucht“, so Tove. „Ich war noch nie in meinem Leben so high.“

Als Künstlerin ist Tove Lo ebenso unerschrocken wie unzensiert und stolz darauf, die Verhaltensregeln für Pop-Starlets neu zu schreiben. „Man soll für alle sprechen. Man soll nicht fluchen. Man soll auf keinen Fall irgendetwas tun, dass jemanden zu stark provozieren könnte“, lacht sie. „Das regt mich total auf, und ich mache es dann erst recht.“

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Quelle: Island | Universal Music