»Ich bin Einzelgänger. Und wenn ich das sage, fühle ich mich deswegen weder stark, noch besonders toll. Es macht mich aus – aber nicht besser als Andere. Es ist einfach, wie es ist.«
Wendja wird ‘89 in Freistadt geboren und muss in der österreichischen Provinz mit zwei sehr verschiedenen Welten klarkommen: Vater aus Peking, Mutter aus dem Ort. »Als kleiner Junge war ich oft das ‚Schlitzauge’ oder ‚Bruce Lee’. Aus Asien gab es eben nur uns und die Familie mit dem Chinarestaurant. Ich sehnte mich lange nach dem Land, das ich aus Filmen und Geschichten meines Vaters kannte. Im Kopf war China meine Heimat wenn ich mich in Österreich fremd fühlte. Als ich mit 15 tatsächlich da war und Alltag abseits der Touristen erlebte, begriff ich allerdings schnell: Hier bin ich nicht zuhause. Ich sprach nur gebrochen Chinesisch und auf der Straße zeigten sie auf mich: ‚Ni kan, wai guo ren’ (‚Schau, ein Ausländer’). Es war ausgerechnet mein Vater, der mir bewusst machte, wie schön Österreich sein kann und wie kurzsichtig meine Denkweise war: Ich pauschalisierte ein Volk und machte damit dasselbe wie die, unter denen ich litt.«
Wendjas Vater hat allerdings auch eine andere Seite. In der Garage des Hauses bringt der Tischtennistrainer dem Siebenjährigen das Spiel bei. »Wobei ‚Spiel’ der falsche Ausdruck ist. In den ersten Wochen wurden nur Bewegungsabläufe einstudiert. Ohne Schläger, Ball und Platte. ‚Vorhand! 300 Mal! Hüfte! Aufmachen! Locker!’« Sein Vater trainiert ihn drei bis fünf Stunden täglich, manchmal länger – aber aus seinem Traum, aus dem Jungen einen Topspieler zu machen, wird nichts: Zu trocken der Drill, zu krass der Umgangston. Wendja zieht bald nicht mehr mit, er hat Fußball entdeckt. »Zehn Jahre lang wollte ich Profi werden: Die entsprechende Leidenschaft war da, aber das notwendige Talent leider nicht. Ich begann mich zu fragen, wer ich bin und was ich wirklich will. – Da kam die Musik ins Spiel.«
Jahrelang rappt und schreibt er in seinem Kinderzimmer, baut Beats, singt. »Es war magisch: Obwohl ich es nie gelernt hatte, kamen Lieder dabei heraus. Es gab kein gut oder schlecht, keinen Druck. Ich machte das nur für mich.« Aber erst nach dem Zivildienst in einem Flüchtlingsheim und einem Exkurs an die Wiener Wirtschaftsuni, wo er feststellt, dass Geraden und Graphen ihn nicht glücklich machen, nimmt er die Musik in die Hand. Es bleibt nicht mehr nur beim Schreiben, er besorgt Gigs und nimmt die Sache richtig ernst. Kurz darauf platzt der Knoten: Mit seinem Duo landet er zwei #1-Singles, ein Platin- und zwei Goldalben in Österreich. 120 Auftritte pro Jahr, drei Jahre Höhenflug – zwei Jahre Fall. »Obwohl ich mit meinem Kumpel auf der Bühne stand, fühlte ich mich irgendwann allein. Was wir machten sorgte für Aufmerksamkeit, aber kaum ehrliche Anerkennung. Ich war nicht mit Herz dabei. Durch die Ansicht meines Vaters, dass man sich alles hart erarbeiten muss, hatte sich in mir festgesetzt, dass der Weg zum Erfolg mühsam sein muss. Heute sehe ich das etwas anders.«
Auf dem Weg zu sich selbst macht Wendja 2013 einen Abstecher über ein Soloalbum, das auf #4 chartet – danach braucht der junge Musiker eine Pause, um sich mit seiner eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und seine Zerrissenheit zu reflektieren. Erlösung kommt erst mit der Rückbesinnung auf seine Wurzeln: »‚Wen Dja’ ist mein chinesischer Name. ‚Wen’ heißt Sprache, Lehre und steckt in Begriffen wie ‚Wen Yi’, was soviel wie Literatur oder Kunst bedeutet. ‚Dja’ oder ‚Jia’ steht für ‚gut’, ‚das Beste’. Übersetzt bedeutet der Name also so was wie ‚Beste Sprache’. Unbewusst haben mir meine Eltern den perfekten Künstlernamen also schon in den Pass geschrieben. Nur machte das damals noch keinen Sinn.«
»Hab gelernt, der Plastikwelt zu widersteh’n. Ab jetzt bin ich echt und du fragst mich wie das geht? Ich zieh’ über Stadt, Land, Fluss – zurück zu Feuer, Erde, Wasser, Luft.« Stadt, Land, Fluss
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Plötzlich ist alles klar – und das nicht nur weil er die Party-Taktung extrem runterfährt, sondern weil er endlich auch zu seinem inneren Konflikt steht. In über 80 Songs, die in dieser Zeit entstehen, schließt Wendja mit den Kontrasten seiner Persönlichkeit Frieden. Er kann jetzt genüsslich Songs wie „Abriss Austria“ bringen, in denen die Hütte dermaßen brennt und die Mädels alles zeigen, und gleichzeitig aus tiefster Seele einen lyrischen Text wie „Schwarze Rose“ schreiben, in dem der Protagonist kaum aushält, dass er seine große Liebe letztlich zu Grabe tragen muss. Wendja kann in „Mut zur Hässlichkeit“ seine knallharte Antwort an die mobbenden Nachbarn aus Kindertagen regelrecht rausgrölen; Brass, Beats und clevere Raps in der Seeed-esken „Vermessung der Welt“ virtuos einsetzen und knapp vor der Klischee-Schublade rotzfrech einen Haken schlagen und mit „Broke aber glücklich“ eine bestens gelaunte, funky Partygranate über das Leben ohne die verdammte Kohle hinlegen.
Das sind locker hingelegte Raps mit Köpfchen, tiefer gelegte Poptracks ohne Castingkontrolle und brandheiße Beats zum Runterkommen. Souverän hergeleitet in der starken ersten Single „STADT, LAND, FLUSS“, in der Wendja auf den Punkt bringt, dass „Laptop und 3G“ ihn nie zufrieden machen werden, und perfekt zusammengefasst im Albumtitel „POET & PROLET“. Produziert hat Wendja mit dem Team von Quarterhead in Frankfurt und Arschtritt Lindgren in Berlin, die nicht nur seine Tracks sondern auch die außergewöhnlichen Vocals messerscharf in Szene gesetzt haben. Seine Stimme changiert von megalässig bis ganz schön heftig, um in „Zeit für Menschlichkeit“ wiederum eindringlich mit einem ernsthaften Kommentar zu einem hochaktuellen Thema zu imponieren. »Ich möchte alles, was mich berührt, nach außen tragen dürfen. Anfangs wird das vielleicht nicht jeder verstehen, aber ich glaube, dass wir alle Dinge in uns haben, die nicht zusammenpassen und trotzdem ausgelebt werden wollen.«
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Quelle: Universal Music | Promotion Werft