Was haben Niedeckens BAP, Johannes Oerding und Madsen gemeinsam? Ganz einfach, sie alle sind Fans von Selig. Und sie alle haben den Weg der Hamburger Band irgendwann gekreuzt, deswegen sind sie nun auf der Compilation „SELIG macht SELIG“ vertreten. 25 Jahre nach ihrem selbstbetitelten Debüt – ein Album, das die deutsche Musikszene bis heute geprägt hat und inzwischen sogar mit einer Gold-Auszeichnung geehrt wurde – haben Jan Plewka und seine Mitstreiter befreundete Musiker gebeten, ihre Songs neu zu interpretieren.
„Jubiläen feiert man ja eigentlich mit Familie und Freunden und da dachten wir, bevor wir unsere Familien fragen, fragen wir lieber die Freunde“, grinst Selig-Sänger Jan Plewka. „Für uns ist diese Compilation ein wahnsinniger Liebesbeweis. Es ist herrlich zu sehen, dass diese Lieder, die wir über all die Jahre geschrieben haben, da draußen existieren. Das ist ein bisschen wie wenn du auf einer Elbfähre bist, ein anderes Boot vorbeikommt, du winkst und die Leute auf dem anderen Boot winken plötzlich aus der Ferne zurück.“
Und wer winkt Selig auf ihrer Elbfähre nicht alles zu. Madsen sind aus dem Wendland angereist, um „Wenn ich wollte“ zum schweren Rockbrett zu machen, 17 Hippies sorgen mit ihrer durch Bläser und Streicher veredelten Version von „Regenbogenleicht“ für osteuropäisches Flair und wie Selig auf Kölsch klingen, demonstriert Wolfgang Niedecken von Niedeckens BAP in „Glaub mir“. Das heute kein Stück weniger herzzerreißende „Ohne Dich“ wird von Philip Poisel aufs Klavier übersetzt und das Berliner Duo Milliarden dreht „Sie hat geschrien“ mit einem von Synthies und elektronischen Beats getragenen Remix einmal auf links. Überhaupt: Die Compilation ist so vielseitig wie überraschend. Völlig frei und ohne irgendwelche Vorgaben entstanden die unterschiedlichsten Versionen. Mal laut, mal leise, mal allein und mal zusammen mit Selig – so wie im Falle der Neuauflage von „Die Besten“, die Olli Schulz und Jan Plewka im Duett singen.
„Mit Selig verbinde ich die glorreichen Neunziger, als diese Band es als erste deutsche Band geschafft hat, so ein Grungegefühl zu vermitteln, sogar mit deutschsprachigen Texten“, sagt Olli Schulz. „Das hat davor glaube ich keiner gemacht und auch danach niemand mehr so richtig hinbekommen. Außerdem war ich wahnsinnig genervt, dass alle Frauen damals Jan Plewka geil fanden!“ Für die Aufnahme des Songs begaben Schulz und Plewka sich in das Studio von Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteaks), wo der Song in nur einem Take entstand. Die Idee, nicht ganz ernst zu erzählen, wie die beiden sich 20 Jahre später zufällig in einer Bar treffen, kam Olli Schulz spontan und so ist das verdutzte Gestammel von Jan Plewka auf die bohrenden Fragen tatsächlich echt. Was will man auch sagen, wenn Schulz plötzlich so wie früher im Bunker an Songs basteln will…?
Das Vorhaben, ausschließlich Lieder von ihrem Debütalbum interpretieren zu lassen, warfen Selig im Laufe der Zeit über Bord. So nahm „Pohlmann“ eine zum Weinen schöne Version von „Bruderlos“ vom zweiten Selig-Album „Hier“ auf, während Johannes Oerding sich „Sie zieht aus“ vom dritten Album „Blender“ völlig zu eigen macht. Sogar ein Song aus der späteren Schaffensphase von Selig ist vertreten: Gelesen von Benjamin von Stuckrad-Barre wird „Die alte Zeit zurück“ vom Comeback-Album „Und endlich unendlich“ plötzlich zur Kurzgeschichte. Jenes Album markierte 2008 die Rückkehr von Selig, die sich 1999, überrollt vom eigenen Erfolg und völlig zerstritten, nach drei Alben aufgelöst hatten. Seit ihrer Wiedervereinigung haben Jan Plewka, Christian Neander, Leo Schmidhals und Stephan Eggert vier Alben veröffentlicht – und Selig haben noch lange nicht genug. Noch in diesem Jahr soll ihr achtes Album erscheinen. Im März geht die Band auf „SELIG macht SELIG“-Tour – inklusive dem einen oder anderen Gast natürlich. Ab April ist Jan Plewka in der VOX-Show „Sing meinen Song“ zu sehen.
„Wir sind damals in den Neunzigern ja wirklich mit richtig großem Maul losgestiefelt, nichts konnte uns etwas anhaben. Wir waren die Reiter der Apokalypse“, blickt Jan Plewka amüsiert zurück, bevor Leo Schmidhals zustimmend fortfährt: „Das verrückte ist, wir haben jetzt wieder so ein ähnliches Gefühl. Man ist so aufgeregt über die Dinge, die man macht. Heute sind es natürlich ganz andere Themen. Aber es ist so viel zu tun da draußen in der Gesellschaft – man kann nicht seine Klappe halten, sondern man muss etwas sagen.“
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Quelle: ferryhouse productions