Die Kreuberger Rocker Gods of Blitz bringen ein neues Album mit verschollenen Rohdiamanten, B-Sides, Liveaufnahmen und gerade mal eben so gebändigtem Übungsraumgewitter heraus.
Gods of Blitz galten als die Senkrechtstarter der deutschen Indierockszene: Ende 2004 gegründet, wurde die Band nach nur wenigen Monaten quasi im Übungsraum von Four Music unter Vertrag genommen. Es folgten zwei Alben ”Stolen Horse”(2005) und ”Reporting A Mirage”(2007) unter Mitwirkung einer illustren Riege von Hellacopters-,Strokes-und Tocotronic-Produzenten, erfolgreiche Clubtourneen, gefeierte Festival-Saisons und knallige Videos mit Federboas und Reflektorfolie.
Aber bevor man sich richtig an den Gedanken gewöhnt hatte, dass es in Berlin eine Band gibt, die alles richtig macht und mit Herz und Humor grandios auf höchstem Niveau rockt, war nach nur drei kurzen Jahren viel zu früh wieder Schluss – der Sänger verließ die Band und zog nach Schweden. Die anderen drei Bandmitglieder veröffentlichten noch ein weiteres Album mit neuem Sänger, lösten die Band jedoch nach einer Tournee auf.
2012, viereinhalb Jahre nach dem letzten gemeinsamen Auftritt kehrten Gods of Blitz noch einmal wiedervereint – in Originalbesetzung – für zwei ratzfatz ausverkaufte Konzerte zurück. Zwei Abende im Kreuzberger Kiezclub Lido, im Herzen der Welt, wo alles begann. Ganz großes Kino. Die Band spielte wie entfesselt, es brannte wie beim ersten Mal, und alle sangen laut mit. Seitdem herrscht Funkstille.
Leere.
Grillenzirpen.
Sehnsucht.
Nach Staccatogitarren, eine rechts, eine links. Nach rauem Gesang, dicken Lippen, knurrendem Bass und bärtigen Prügeldrums. Nach dieser tatsächlich einmaligen Mischung aus Nonchalance, Hingabe, Eigensinn, Power, zackigen Melodien und roher fundamentaler Lautheit, die nicht man nicht einstudieren kann. Die hat man oder man sie nicht. Und Gods of Blitz hatten davon mehr als genug. Es war, als hätte die Band fast zuviel Drehmoment für ihre kleine Welt. Die vier Freunde starteten derartig mit Vollgas aus ihrem Übungsraum auf die großen Festivalbühnen und verpufften dann in der Rockhistorie, dass man sich anschließend nur ungläubig fragte, was einen da eben geohrfeigt hat. Kein Wunder, dass sie nicht alles Material, das in den kurzen Jahren ihres Schaffens entstand, in ihre hyperaktiven Alben pressen konnten. Es hörte eben nicht auf bei The Rising, Greetings from Flashbackville, New Wave Wipe-Out und I Know That You Know That I Know. Es gab noch mehr Outtakes, Rohdiamanten und Rohrkrepierer, verborgene großartige Songs, die nur deswegen nicht den Weg auf eine Platte fanden, weil die Kunstform des Neopunk-Albums eben vorsah, dass man in 35 Minuten alles gesagt haben muss. Wenn ein Song überhaupt nur länger als 3 Minuten dauerte, hatte man schon irgendwas falsch gemacht. Ohne vornehme Zurückhaltung mitten auf die Nuss. Und jetzt, meine Freunde, bringt diese besondere und schmerzlich vermisste Band 15 Jahre nach ihrem Debut ein neues Album heraus. Mitten in eine Ära des Anthropozäns, in derdie verfehlten Eitelkeiten und Genusssüchtedes Homo Sapiens auf den Prüfstand kommen, platzt ein Juwel von großmäuligen und klugen Liedern, die direkt aus der Vorphase des wahren Menschseins stammen. Demoaufnahmen, die den offiziellen Albumversionen den Rang ablaufen. Liveaufnahmen, die rückhaltlos nach vorne stürzen. Bissige, welterfahrene Studiotracks, die damals vielleicht doch nicht ganz ins aktuelle Albumkonzept passten, aberheute im Hier und Jetzt derartig einen abfackeln, dass der Glauben an den wahren Rock’n’Roll endlich wieder frei atmen kann. Amen, brother!
In einer Zeit, in der Musikproduktion ein generalstabsmäßig geplantes Unterfangen war, bei dem alle Eventualitäten eingeplant, vorausberechnet und alle Widerborstigkeit glattgebügelt wurde, traten Gods of Blitz 2005 wie ein fleischgewordener gutgelaunter Anachronismus auf die Tanzfläche. Ihr in den Jahren des Undergrounddaseins förmlich in ihre DNA einmariniertes Konzept der klassischen Liveband, die im Studie genauso klingt wie auf der Bühne, war nicht nur epochal ungewöhnlich, es zeigt sich auch heute mit dem Abstand der Jahre, dass der Sound der Kreuzberger absolut zeitlos ist. Und diese Auswahl an lauten Songs strotzt nur so vor Spielfreude, Drive, hintergründigem Songwriting und unbeschwerter heiserer Attitüde. Wo waren diese Typen die ganze Zeit? Warum gerade jetzt lassen sie Musik auf uns los, von der wir gar nicht ahnten, wie sehr wir sie brauchen?
Die Antwort, meine Freunde, findet sich auf ”Now”.
Bitte ganz auf laut machen.
Wir leben alle nur einmal.
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Quelle: Four Music