Der mit Milliarden Streams dekorierte Dresdner Disco-Gigant Tino Piontek hat im letzten Jahrzehnt einen berauschenden Mix aus House, Disco und Funk abgeliefert, an dem vermutlich niemand vorbeigekommen ist – aber die Geschichte dieses gewandten Produzenten, Songwriters und DJs beginnt schon viel früher.
Aufgewachsen in der ehemaligen DDR, lernte Tino die geheimnisvolle, exotische Anziehungskraft der Musik schon als Junge kennen: Nachts fuhr sein Vater – tagsüber ein sanftmütiger Lehrer – los, um im Schutz der Dunkelheit nach Schwarzmarktmusik zu suchen. Manchmal kam er zurück, weil er sein Geld an der Grenze lassen müsste. Aber manchmal kam er auch mit Schmuggelware zurück: Kassetten oder Vinyl von verbotenen Rockbands.
Das erste Mal, als sich die Welt des Pop für Tino eröffnete, war die Reise der Familie nach München nach dem Fall der Berliner Mauer. „Ich ging in einen Plattenladen, dessen Wände voller Vinyl und CDs waren und dachte: ‚Ich bin im Himmel‘, erinnert sich Tino. „Gefühlt bin ich stundenlang in dem Laden herumgelaufen. Und in dem Augenblick begriff ich: Dies ist der Moment. Ich bin von Musik besessen. Von jetzt an werde ich mein ganzes Geld für Musik auf CDs ausgeben.“
Seitdem hat Tino es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Begeisterung dieses ersten Ausflugs in den Münchner Plattenladen immer wieder heraufzubeschwören. Gelungen ist es ihm mit Purple Disco Machine, einem Projekt, das mit dem 2013er Durchbruch und Beatport-Kracher „My House“ für erste Aufmerksamkeit sorgte, bevor ihn das absurd knallige „Dished (Male Stripper)“ ins internationale Rampenlicht rückte und er mit dem 2020er Welthit „Hypnotized“ einen Multiplatin-Erfolg draufsetzte. Flankiert von Hunderten DJ-Bookings, Residencies und Festivalauftritten ist er einer der gefragtesten Remixer des Planeten, der mit Größen wie Lady Gaga, Calvin Harris, Dua Lipa, Diplo, Mark Ronson, New Order und Sir Elton John gearbeitet hat. „Was immer ich tue, ich brauche diesen kleinen Augenblick, in dem ich eine Gänsehaut bekomme“, verrät Tino. „Wenn ich grinsen muss oder im Studio anfange zu tanzen, weiß ich: Ich bin auf dem richtigen Weg.“
Diesen Weg geht er mit seinem zweiten Studio-Album „Exotica“ weiter, einem frischen, unverwechselbaren und berauschenden Werk, das den bisher besten Beweis für eine Musikausbildung liefert, zu deren Schlüsselmomenten die Leidenschaft für die Musik von Prince und mit 16 die erste Begegnung mit Daft Punks „Homework“ gehören, die ihn sich direkt in den Aufstieg des französischen Filter House stürzen ließ. Unverkennbar ist auch der noch frühere Einfluss von Italodisco, jenem kraftvollen Genre aus pulsierendem, euphorischem Pop, das in den 80er-Jahren die Dancefloors des europäischen Festlands beherrschte und, wie Tino berichtet, in Ostdeutschland seltsamerweise sogar erfolgreicher war als in Italien. „Aus irgendeinem Grund war das im Wesentlichen die einzige Art Popmusik, die damals im Radio erlaubt war,“ lächelt er. „Das war also automatisch die Musik, mit der ich aufgewachsen bin.“
Die Behörden schienen den klassischen Fehler begangen zu haben, zu glauben, Disco könne nicht politisch sein. Ein Freund der Familie, zufällig DJ, machte für den Teenager Tino später Mixtapes – „und ich beschloss: Ich brauche eigene Turntables. Ich will keinen Techno hören, wenn ich Disco spielen kann.“ Er begann auf Partys im Keller seiner Schule aufzutreten und nicht viel später, als Tino alt genug war, um selbst in Clubs zu gehen, brannte er seine eigenen Mix-CDs und schickte sie an örtliche Venues, was ihm die erste Residency in einem lokalen Club einbrachte, wo er seine Leidenschaft für Disco und House weiter ausbauen konnte. Nachdem er mit Cubase experimentiert hatte, begann er unter dem Namen Stereo Funk Musik zu machen und gründete sogar ein eigenes Label. Aber Ende der 2000er schlug die große Stunde von EDM. „Das war“, erklärt Tino, „nicht die Musik, die ich spielen wollte. Und es war definitiv nicht die Musik, die ich machen wollte. Ich konnte darin keine Leidenschaft hören.“
Es war Zeit umzudenken. Eine Weile lang bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Produktionen für andere Künstler und Werbemusik, aber er hatte einen Plan. Im Jahr 2009, während die Welt nur Augen für EDM hatte, erfand Tino PDM – Purple Disco Machine, ein Künstlername, inspiriert von Miami Sound Machine und Prince, spezialisiert auf warmen Disco und extravaganten Funk. Tracks wie „My House“ erlangten weltweite Aufmerksamkeit und 2017 brachte Tino nach einem steten Strom von Clubhits, sein Debütalbum „Soulmatic“ auf dem australischen Kultlabel Sweat It Out heraus.
Zu Hause, vor allem im technobesessenen Berlin, war es schwieriger. „Ich spielte Shows auf der ganzen Welt – nur in Deutschland verstand niemand meine Musik“, erinnert sich Tino. Am Ende aber hat ihn diese merkwürdige Situation gestärkt: „Ich habe mich in meiner eigenen Stadt immer irgendwie exotisch gefühlt.“
Was uns zu „Exotica“ bringt, einem Album, das größtenteils in einem Studio in einem umgebauten Lagerhaus fünf Minuten von Tinos Haus entfernt zusammengebraut wurde und noch während des Lockdowns fertiggestellt wurde. „Anfang 2020 war ich kurz davor die Deadline, die ich mir für das Album gesetzt hatte, zu verpassen, aber dann hat sich alles verändert und ich hatte plötzlich ein bisschen mehr Zeit als geplant“, erinnert er sich. „Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren hatte ich die Möglichkeit, jeden Tag im Studio zu sein: Ich habe meine Kinder jeden Morgen in den Kindergarten und in die Schule gebracht und bin dann ins Studio gefahren.“
Er vertiefte sich in seine analogen Synthies und ersetzte einige, von denen er sich in der Vergangenheit getrennt hatte, und tauchte in die Welt von Purple Disco Machine ein. Neben Kollaborationen mit so unterschiedlichen Talenten wie Sophie & The Giants („Hypnotized“), Eyelar („Dopamine“) und Moss Kena and The Knocks („Fireworks“), umfasst das Album mehrere Co-Writings mit Jamiroquais Matt Johnson, mit dem Tino eine enge Beziehung aufgebaut hat, seit Purple Disco Machine 2017 Jamiroquai supportete (auch Derrick McKenzie, Jamiroquais Schlagzeuger, taucht bei einigen Tracks von „Exotica“ auf). „Wir haben das gleiche Gefühl für Musik“, sagt Tino. „Wir spüren dieselbe Energie, wir teilen die Leidenschaft für Disco, Funk und Soul, wir sprechen eine musikalische Sprache.“
Energie, Leidenschaft und der Glaube an eine gemeinsame Sprache der Musik – über Dancefloors, Radiowellen und Streaming-Plattformen hinweg – werden immer das Herzstück von Purple Disco Machines Musik sein. Mehr als das: Sie bilden den Kern von Tinos Wesen.
„Musik ist wichtig als etwas, mit dem man seine guten Zeiten verbringt“, erklärt er, „aber in dunklen Zeiten braucht man die positive Energie positiver Musik genauso. Musik, der man zuhören kann und sich sagen: ‚Okay, so schlimm ist es nicht. Morgen ist ein besserer Tag. Ich kann es schaffen.“
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Das Album hat all die Grooves, charakteristischen Gitarrenlicks und funky Basslinien zu bieten, die typisch für eine Platte von Purple Disco Machine sind, und umfasst gleichzeitig auch Momente von Licht und Schatten, die uns tiefer in sein Universum einladen. Mit der Veröffentlichung einer Handvoll Singles aus der LP, darunter die Sophie and the Giants-Kollaboration „Hypnotized“, „Fireworks feat. Moss Kena & The Knocks“, „Playbox“ und zuletzt „Dopamine feat. Eyelar“, hat Purple Disco Machine im Eiltempo eine riesige internationale Gefolgschaft hinter sich versammelt, die darauf brennt, mehr zu hören. „Hypnotized“ war überall auf der Welt eine Hymne, die über alle Plattformen hinweg über 275 Millionen Mal gestreamt wurde, während sich der Track in Italien, Polen, Österreich und der Schweiz dreifach Platin sicherte. Direkt darauf folgte das unbeschwerte „Fireworks“ mit aktuell mehr als 80 Millionen Streams und Radio-Dominanz in ganz Europa, wo die Single auf #5 der Gesamtcharts rangierte und in Italien und Deutschland auf #1 stand. Darüber hinaus nimmt er die Shazam-Charts im Sturm: Die Single ging auf No.1 in Deutschland, meldete #3 in Italien, Dänemark und Österreich und ist damit ein weiterer amtlicher Hit für Purple Disco Machine. Nun ist gerade der neueste Geniestreich „Dopamine“ feat. der Holländischen Sängerin Eyelar erschienen.
Das Album eröffnet mit „Can’t Get Enough“, einem Feature der australischen Songwriterin Sahara Beck, und liefert für seine Fans überall in Europa die perfekte Fortsetzung von „Hypnotized“, denn der Song dockt an dieselben Gefühle wie die bahnbrechende Single an. Für den Release von „At The Disko“ hat er sich erneut mit seinem langjährigen Kollaborateur Lorenz Rhodes zusammengetan und das Duo hat einen unmittelbaren und ausgelassenen Dancefloor-Kracher erschaffen, der wie schon bei „Music In You“ Vocoder einsetzt und die Energie mit einigen heftig wogenden Piano-Akkorden und Claps bis zum Ende hochhält. „Don’t Stop“ ist eine Rückkehr zu seinen traditionelleren, cluborientierteren Platten, wie auch die Titelsingle „Exotica feat. Mind Enterprises“ und die „Body Funk Part 2“-Vibes von „Playbox“, das für den Clip als wirklich unglaubliche kosmische Reise umgesetzt wurde. Eine weitere Clubempfehlung ist „Loneliness“, ein Track mit der italienischen Underground-Kultproduzentin Francesca Lombardo, dessen gelassene Strahlkraft bis zum Ende vorherrscht. Auf „I Remember“ nimmt Tino sich Zeit, ein bisschen runterzufahren und hat mit Elderbrook zusammengearbeitet, der sich in den letzten Jahren zu einem der angesagtesten Sänger der Elektroszene gemausert hat – seine transzendenten Vocals schimmern stetig hindurch, wenn sich die Synths erheben und harmonische Gesangseffekte ein himmlisches Stück melancholischer Discoklänge erzeugen.
Den Albumabschluss bildet ein weiterer sanfter Jam namens „Wanna Feel Like A Lover feat Ed Mac“ mit einer echten Verschmelzung von 80er-Flair, das sogar ein Saxophon-Solo zu bieten hat – dem Markenzeichen des Jahrzehnts! Für „Opposite of Crazy“ bewegt Tino sich weiter aus seinem zeitgenössischen Disco-Template hinaus und macht gemeinsame Sache mit dem ukrainisch/englischen Duo Bloom Twins, deren einzigartige Mischung aus alternativem Dark-Synth-Pop er mit schrulligen, ungestümen Böen aus Gitarren in bester Prince-Manier untermalt. Energie, Soul und pure Entschlossenheit sind von der allerersten Note des hymnischen „Hands To The Sky“ spürbar, das von den herausragenden Gesangstalenten des Fiorious and House Gospel Choir getragen wird. Zu guter Letzt ist da noch die Kollaboration mit den Brooklyner Disco-Hipstern von Pink Flamingo Rhythm Revue, die das überfunky „Money Money“ mit den raffiniertesten aller Gesangslinien ausstatten und damit an die unverschämten und besten Zeiten des Big Apple-Boogie erinnern.
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Quelle: Sony Music