ALBUM | Roger Eno „The Turning Year“ | ab heute

Roger Eno ist ein britischer Komponist und Klangkünstler mit einem eigenwilligen Stil, ein Musiker mit leisem Kultstatus. Im letzten Jahr veröffentlichte er sein erstes Album bei Deutsche Grammophon,  gemeinsam mit seinem Bruder Brian brachte er das erfolgreiche Mixing Colours heraus.

Es ist, als blicke man durch Roger Enos Kaleidoskop, wenn man The Turning Year hört – auf sich frei entfaltende und berührende Kompositionen, und hin und wieder formt sich ein pastorales Bild. Eno spielt die Stücke selbst am Klavier, bei manchen begleitet ihn das deutsche Streicherensemble Scoring Berlin. In einem Mix aus neuen Werken und Favoriten seines Konzertrepertoires stellt Deutsche Grammophon den Künstler vor.
»The Turning Year ist wie eine Sammlung von Kurzgeschichten oder von Fotografien vereinzelter Szenen, jede für sich hat einen eigenen Charakter, und doch hängen sie eng miteinander zusammen«, sagt Eno über das Album. »Die Musik erinnert mich daran, dass wir unser Leben in Facetten leben, nur flüchtige Blicke erhaschen, durch unser Leben streifen, den Wechsel des Jahres registrieren.«

Bereits am 14. Januar wird der Titeltrack des Albums als Single veröffentlicht. Enos Klavierpart findet darin ein wiegendes, sowohl unterstützendes als auch Fragmente der Melodie ausdeutendes Echo der Streicher – den Einklang dokumentiert ein Livevideo, das im Berliner Teldex-Studio aufgenommen wurde.

»Als Deutsche Grammophon Mixing Colours herausbrachte, war das für mich eine große Ehre und ein enormes Kompliment«, sagt Eno. »Ich hätte nie erwartet, dass ich ein Soloalbum für das Label machen würde, und hatte einen guten Grund, über das nachzudenken, was Musik für mich bedeutet, und auch die Gegend, in der ich lebe. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie Großbritannien heute ist – ein Ort der Spaltung und wachsenden Ungleichheit – und wie es war, als ich hier aufwuchs. Es gibt in mir eine Sehnsucht nach einem besseren Ort, der nicht mehr existiert oder vielleicht nie existierte.«

Schon in der ältesten Komposition von The Turning Year spiegeln sich diese Gedanken, »Stars and Wheels« entstand vor 20 Jahren als Improvisation. Eno spielte sie einst auf einer einmanualigen Orgel in der verwaisten mittelalterlichen Kirche von St. Gregory im dünn besiedelten britischen Landstrich Norfolk. Bald darauf nahm er sie in seinem Studio auf und schuf durch die Überschneidung der Spielgeschwindigkeiten eine klangliche Metapher für einen Zustand, den er als »glorreichen Verfall« bezeichnet, gleich jenem, den er im alten Gemäuer der Kirche sah. »Stars and Wheels« wurde im letzten Sommer überarbeitet, als Eno mit Christian Badzura zusammenarbeitete, DGs Vice President A&R New Repertoire und Produzent dieses Albums.
Zu hören ist auf The Turning Year auch der langsame Lobgesang »Hymn«, der sich ebenfalls aus einer Soloimprovisation entwickelte. Oder »A Place We Once Walked«, ein Stück, das das Album eröffnet und dessen emotionalen Herzschlag vorgibt. Wie ein Mantra erscheint »Innocence«, während sich »On the Horizon« als Meditation über Ungewissheit und Zweideutigkeit entfaltet, was nachhallt und doch beruhigend wirkt im Widerstreit der Halbtöne von »Something Made Out of Nothing«. In »Hope (The Kindness of Strangers)« schließlich geht es um äußerste Zärtlichkeit und Mitgefühl.

Eno wurde in Woodbridge, Suffolk, geboren. Schon in der Schule entdeckte er für sich die Musik und kaufte sich mit dem Geld, das er jeden Samstag als Metzgerjunge verdiente, ein altes Klavier. Seine musikalische Ausbildung setzte er an der Colchester Institute School of Music fort. Nach einem kurzen Intermezzo als Jazzpianist in privaten Clubs in London kehrte er nach East Anglia zurück.

Nach einer ersten Zusammenarbeit 1983 mit seinem Bruder Brian und Daniel Lanois an Apollo: Atmospheres and Soundtracks nahm er mehrere Soloalben und Gemeinschaftsproduktionen auf mit u.a. Peter Hammill, No-Man (mitbegründet von Steven Wilson) und seiner ersten »Band«, der Ambientgruppe Channel Light Vessel, zu der auch Laraaji, Kate St. John, Bill Nelson und die japanische Cellistin Mayumi Tachibana gehörten. Roger Eno hat außerdem als musikalischer Leiter für den Schauspieler Tim Robbins gearbeitet.

Im Bereich der Filmmusik arbeiteten er und sein Bruder an David Lynchs Der Wüstenplanet (1984), Adrian Lynes 9½ Wochen (1986) und Dario Argentos Opera (1987). Ihre Musik für Danny Boyles BBC-Miniserie Mr. Wroe’s Virgins wurde 1993 für einen BAFTA nominiert. Als alleiniger Komponist schrieb Roger Eno die Musik zu Trevor Nunns hochgelobter Inszenierung von Harold Pinters Betrogen am Londoner National Theatre und in jüngerer Zeit zu Stephen Frears gefeierter Fernsehserie State of the Union nach einem Dialogstück von Nick Hornby.

Roger Eno lebt seit vielen Jahren in einer Kleinstadt an der Grenze von Suffolk und Norfolk. Die ländlichen Grafschaften mit ihren ruhigen Gassen, mittelalterlichen Kirchen und vielen Wasserwegen haben seine Musik geprägt. Als »Decomposing« beschreibt er seinen Schaffensprozess, es kommt ihm eine Idee, er schläft darüber, erwacht früh am Morgen und schält sie, um die Quintessenz freizulegen.
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Quelle: © Deutsche Grammophon (Universal Music)