Mit einer freundlichen Begrüßung meldet sich Jonathan Vandenbroeck, besser bekannt als Milow, dieser Tage zurück: Nice To Meet You heißt das siebte Studioalbum des belgischen Singer-Songwriters, der im letzten Jahrzehnt immer wieder auch in Deutschland die Top-10 der Albumcharts aufmischen konnte.
Viel ist passiert, seit er den Künstlernamen Milow eher zufällig auswählte, seit er schon wenig später mit dem Debütalbum The Bigger Picture (2006) massive Erfolge verbuchte, als die frühe Hitsingle „You Don’t Know“ erschien und Milow damit den Weg für spätere Hits wie „Ayo Technology“ oder auch „You And Me“ ebnete. Schon immer ein hundertprozentiger DIY-Artist, der seine Musik übers eigene Label Homerun Records veröffentlicht, setzt er mit dem neuen Album vor allem auf eine optimistische Grund- und Aufbruchsstimmung.
„Da ich weiß, wie man auf Krisen zu reagieren hat, war ich ehrlich gesagt recht gut vorbereitet, als die Pandemie ausbrach“, erzählt Milow, der schon als Kind mit etlichen Instrumenten aufwuchs. Indem er sich zuerst mit dem Akkordeon, dann mit der Gitarre und wenig später auch mit dem Klavier vertraut machte, schrieb er seinen ersten englischsprachigen Song bereits mit 15. „Das war etwas, das ich kenne und verstehe. Auch wenn es auf den ersten Blick wie der denkbar schlechteste Zeitpunkt zum Musikmachen wirkt, war’s für mich der ideale Zeitpunkt. Wenn alles richtig schwierig wird, dann fällt mir das Schreiben am leichtesten – und ich bin so kreativ wie sonst nie.“
Nice to Meet You nahm er mit einer Live-Band – zu der auch sein angestammter Gitarrist und Tourbegleiter Tom Vanstiphout zählt – in den bekannten Brüsseler ICP Studios auf, wo sie während der Arbeit wie in einer Blase lebten. Aufnehmen, Essen, Schlafen, alles fand dort statt. Als Gruß an den Rest der Welt – wobei der Titelsong seinen beiden Kindern (inzwischen 4 und 7) gewidmet ist –, ist der neue Longplayer der perfekte Soundtrack für eine Welt, die sich nach langer Starre langsam wieder lockert und zurück auf die Beine findet.
„Nach diesen zwei Jahren wollte ich auf keinen Fall ganz alleine arbeiten“, gesteht Milow. „Ich brauchte diese Energie, diese Interaktion. Einfach Gemeinschaft und Feedback. Und zwar nicht nur von Produzenten, sondern auch von anderen Musikern. Wir haben uns so gefreut, uns zu sehen und uns austauschen zu können.“
Schon mit dem ersten Track „Whatever It Takes“ – eine grandiose Hommage an die Bassläufe von Motown-Ikone James Jamerson; auch an die schillernden Eighties-Harmonien von Daryl Hall & John Oates – stellt Milow klar, dass dieses Album ein ausgelassener Soundtrack zum Neustart sein soll. Große Hooks und eingängige Melodien halten auch die erste Single „How Love Works“, in der es um die Höhen und Tiefen einer Beziehung geht (wozu es auch ein grandioses Video der belgischen Regisseurin Cecilia Verheyden gibt), oder auch das mit Flamenco-Gitarren gespickte „ASAP“ bereit: Ein mit World Music-Elementen durchzogener Song über Verantwortung und Freundschaft, der ganz klar von dem Klassiker „You’ve Got A Friend“ (James Taylor/Carole King) inspiriert ist.
Während „Guinness Book of Records“ von einem schwer messbaren Anti-Rekord handelt (der Protagonist rühmt sich als jemand, der „fucked it up a thousand times“), handeln „Donkey Kong“ und „DeLorean“ von popkulturellen Meilensteinen aus Milows Geburtsjahr: 1981. „Ich fand einfach, dass es an der Zeit war, auch so lockere und leichte Songs zu machen“, sagt der Vierzigjährige über die beiden Songs. „Ich bin echt stolz, diese 12 Songs in den letzten zwei Jahren geschrieben zu haben … also etwas dermaßen Positives in dieser so schwierigen Zeit geschaffen zu haben. Das spiegelt auch meine Weltsicht wider. In Krisenzeiten konzentriere ich mich aufs Wesentliche und sehe um so deutlicher, was zu tun ist.“
Allerdings gibt es auf dem Album nicht nur ausgelassene Pop-Hooks und große Mitsing-Refrains zu hören. So ist der Titelsong von der schweren Krankheit seines langjährigen Schlagzeugers Oscar Kraal inspiriert, der seinen Kampf gegen den Bauchspeicheldrüsenkrebs schließlich verlieren sollte. Während er in dem Zug über die Beziehung zu seinen Kids nachdenkt (der erst 50-jährige Kraal hinterließ selbst zwei Teenager), fungiert das abschließende „Oscar“ wiederum als letzter Gruß an den alten Freund.
„Das Ziel war, die ganzen Mauern einzureißen, die ich um mich herum aufgebaut hatte“, so Milow, der alles dafür tut, ein engeres Verhältnis zu seinen Kindern zu haben, als er es aus eigener Erfahrung kennt. „Bei jedem Album, das ich gemacht habe, ging es darum, die Komfortzone zu verlassen. Das Mutigste, was ich tun konnte, war, über etwas zu schreiben, an das ich mich zuvor nicht herangewagt hatte. Ich wollte den Kreislauf durchbrechen, den ich mit meinem eigenen Vater erlebt habe, und gleichzeitig anerkennen, dass ich von meinen Kindern genauso viel lernen kann, wie sie von mir lernen können. Früher habe ich mich nie getraut, diese Verletzlichkeit zu zeigen.“
Tatsächlich stehen alle bislang veröffentlichten Alben von Milow für einen Dialog mit seinen Zuhörern und Zuhörerinnen: „Meine Alben sind wie Tagebücher. Tagebücher, die eine bestimme Phase meines Lebens wiedergeben“, sagt Milow weiter. „Ich will einfach weiterhin Songs schreiben, mit denen sich ganz normale Leute identifizieren können. Mir geht es nicht um das Leben eines Rockstars, der konstant auf Tour ist. Meine Rolle ist eine andere.“
Auch die Tatsache, dass er aus dem kleinen Belgien stammt, stört ihn kein bisschen: „Ich mag diesen Spirit, diese Mentalität – etwas auf eigene Faust zu erschaffen, auch wenn die Voraussetzungen alles andere als ideal sind“, sagt er über seine Verwurzelung in den europäischen Musiklandschaft. Die Musikszene in Europa sei überhaupt „viel eklektischer“, sowohl bei Festivals als auch im Radio. „Ich liebe auch die Freiheit, mich als Singer-Songwriter in so vielen Genres ausleben zu können.“
Und genau das tut Milow auf Nice To Meet You: Er präsentiert sein neuestes Tagebuch und lädt alle ein, darin zu blättern und zuzuhören – und neue Inspiration zu finden.
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Quelle: 42 Is The Answer