Stille, Rauschen, ein schweres Atmen. Dann plötzlich eine verzerrte Stimme:
„Zurück in meinem kuscheligen Gefängnis / Draußen minus 2 Grad – endlich Schnee / Inzidenz 500 – Du kommst morgen doch nicht / Man kann jetzt nicht in ‘nen vollen ICE…“
Schon die ersten Momente von Georg Auf Lieders viertem Album „8-Spur Lockdown Tape“ machen klar: Hier erwartet einen kein schick ausproduzierter Wohlfühl-Pop. Keine Phrasen, kein Zurückhalten, keine Kompromisse. Dieses Album ist der Sound einer einsamen, isolierten Seele. Ganz allein mit Ihren Dämonen, ihrer Hoffnung, ihren Erinnerungen und einem kaputten 16-Spur-Recorder.
Dieses alte Gerät hatte Georg mit seinem letzten Geld einem Freund abgekauft, der ebenfalls fast pleite war. 50 Euro, größere Ausgaben waren nicht möglich im zweiten Corona-Jahr ohne Touren und Festivals. Schon bald nach dem Kauf bemerkte er, dass der günstige Preis nicht nur der Freundschaft, sondern auch der Tatsache geschuldet war, dass von sechzehn Spuren nur noch acht funktionierten. Dennoch sollte das Gerät das Herzstück seiner neuen Platte werden.
Um die leid- und lautstärkegeprüften Nachbarn zu entlasten, mietete Georg im Berliner Osten einen kleinen Raum in einem heruntergekommenen Proberaumkomplex an. Der Raum wurde aufgrund fehlender Belüftungsanlage und nicht vorhandener Fenster von den Vorbesitzern liebevoll „Das Verlies“ genannt. Hie fin Georg nun an, neue Songs zu schreiben und diese auch selbst aufzunehmen. Zum ersten Mal allein. So beschäftigte er sich nun ganz anders mit seiner Stimme, seiner Art zu texten und kreierte viele für ihn ungewohnte Sounds auf analogem Wege. Alte Keyboards, günstige Gitarrenpedale, rauschende Verstärker und nur ein einziges Mikrofon bildeten den Kern dieser Welt.
„Das ständige Runtermischen auf ein oder zwei Spuren, um wieder mehr neue Spuren zur Verfügung zu haben, zwang mich stets zu Entscheidungen, die ich in dieser Radikalität sonst nie getroffen hätte“, meint Georg. „Ich glaube, das Verlies hat mich auch klarer und direkter werden lassen.“
Das ungewohnt lange Verweilen an einem Ort und die beschränkten Möglichkeiten sich mit anderen Menschen auszutauschen, brachten viele fast vergessene Momente und Themen hervor, die über sämtliche Songs verteilt immer wieder ihren Platz in den Texten finden.
Irgendwann im Winter 2022 war es dann fertig, „8-Spur Lockdown Tape“. Ein Neubeginn, ein Aufbruch – heraus aus einer Welt, die sich für den 33-jährigen Künstler in den letzten zwei Jahren oft wie das Ende angefühlt hatte. Der 8-Spur Recorder gab schließlich wenige Wochen nach den letzten Aufnahmen komplett den Geist auf. Ganz im Gegensatz zu Georg: „Ich glaube ich weiß jetzt tatsächlich ein bisschen mehr, wer ich bin“, resultiert er. Und alle Menschen, die diese zehn Tracks gehört haben, wissen ganz sicher ein bisschen mehr, wer Georg Auf Lieder ist. Es fühlt sich an, als hätte man selbst mit ihm dagesessen. Allein zu zweit im „Verlies“. Es fühlt sich an, als hätte man 29 Minuten lang direkt in seine Seele geschaut.
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BIOGRAPHIE:
Angefangen hat Georg mit 13 Jahren in Bolivien, wo seine Mama herkommt, mit einer Gitarre im Alleingang. Und zwar, weil er die „Californication“ von den Red Hot Chili Peppers gehört hat. Die Platte fand er ziemlich gut und wollte sie einfach mal nachspielen. Daraus entwickelte sich die Liebe zur Musik. Mit 17 Jahren brach Georg dann die Schule ab und tourte mit seiner Punk-Rock Band. Die Band war relativ erfolgreich, daraus wurde dann aber doch nichts. Als Georg dann in Berlin auf dem Alexanderplatz mit Straßenmusik weitermachte wurde er entdeckt. Tja und was soll man sagen: Die große Leidenschaft wurde ab dann zum Beruf.
Bleibt noch kurz die Frage offen, warum der Name „Georg Auf Lieder“. Er selbst findet die Erklärung dazu viel zu lang und zu kompliziert weswegen er das Ganze einfach stehen lässt. Er heißt halt einfach so: Georg Auf Lieder.
Mittlerweile hat der gebürtige Hamburger drei Alben auf dem Markt. Jetzt im Sommer können wir uns auf einen vierten Longplayer freuen.
Kommen wir zur Musik. Die Musik, die Georg macht ist zwar zeitlos, aber für ihn trotzdem an Zeit gebunden: „Da ich mit meiner Musik immer versuche den JETZTIGEN Spiegel meiner Zeit zu treffen, ist es schwierig meine Musik in ein Genre zu packen oder zu sagen wofür ich, also Georg Auf Lieder, stehe. Das erste Album hört sich ganz anders an, als die darauffolgenden oder das was kommen wird. Manchmal werde ich mit Philipp Poisel verglichen, manchmal mit Kettcar oder sogar Tocotronic… Was ich sagen kann: Jede einzelne Zeile, jede einzelne Spur, jede Melodie soll ein Gefühl vermitteln. Dafür steht für mich Musik: Für das
Vermitteln von Gefühlen.“
Georg Auf Lieder war schon Support für etliche Größen: Madsen, Mia., Milow, Imagine Dragons, The Stranglers, Amy MacDonald, Matthias Schweighöfer, Rea Garvey, Juli und The Script. Verschiedene Festivals wie Rock am Ring waren auch dabei. TV Auftritte unter anderem in der Kurt Krömer Show dürfen wir auch nicht vergessen und achja: Große Fans von Georg sind übrigens auch Olli Schulz und Fynn Kliemann – Auf deren Hausboot hat er ein Releasekonzert gegeben hat.
Als Gitarrist oder Sänger würde sich Georg übrigens nicht bezeichnen: „Ich bin schlicht und ergreifend Musiker und probiere immer was Neues aus. Ich möchte für Entwicklung und Musik stehen.“
Ein Do It Yourself Typ, handgemachte Mukke, eigenbrödlerisch und absolut bodenständig – Attribute, die Georg Auf Lieder ziemlich gut beschreiben.
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Quelle: AAa / Am Anfang angekommen | 42 ITA