Vor einigen Monaten klingelte bei Clueso das Telefon. Am Apparat waren Porky und Kryptik Joe: Für die Produktion des nächsten Deichkind-Albums hatten die beiden den Plan gefasst, mit ihren Laptops und Mikros durchs Land zu reisen und befreundete Musiker zu besuchen. Nun wollten die Deichkind-MCs wissen, ob Clueso vielleicht Tipps für geeignete Studios hätte.
Clueso fand die Idee super und bot den beiden gleich an, mit Deichkind in seinem Erfurter Studio zu arbeiten – unter einer Bedingung: »Ich habe gesagt, ihr könnt gerne umsonst bei mir arbeiten und alles nutzen, aber dann will ich einen gemeinsamen Song mit euch machen«, sagt Clueso.
Gesagt, getan: Porky und Kryptik Joe reisten nach Erfurt, und es entwickelte sich eine rasante Session. »Es war wie in den frühen Hip-Hop-Tagen«, sagt Clueso. »Wir drei haben im Kreis gesessen, Strophen geschrieben, Beats ausprobiert und Zeilen hin- und hergedroppt, ein kreatives Pingpong.« Kryptik Joe findet: »Clueso war wie ein Flummi im Studio und hat uns schöpferisch hochgehievt.«
Deichkind und Clueso haben bei dieser Session eine ganze Reihe von Ideen ausprobiert, sind aber immer wieder bei einer Zeile und einem Beat des Produzentenduos Dongkong gelandet, die Clueso schon länger unbedingt zu einem Song machen wollte, bislang hatte ihm allerdings die richtigen Partner dazu gefehlt. Nun aber fügte sich alles magisch zusammen, die einzelnen Elemente schienen auf Deichkind und Clueso gewartet zu haben.
»Ich wollte diese Kombination schon länger machen, unter anderem auch in meiner Session mit Capital Bra, der die Bentley-Zeile super fand«, sagt Clueso. »Aber die ironische Note passt natürlich viel besser zu Deichkind als zu Capital Bra – oder irgendjemandem sonst.«
Und so entstand nun also aus einer Deutschlandreise von Deichkind, einer älteren Clueso-Idee und einem Donkong-Beat in einer funkensprühenden Session der Tech-Rap-Song der Stunde. »Auch im Bentley wird geweint« ist eine herrlich ätzende Satire auf alle dekadenten Verwirrungen des Spätkapitalismus in der Phase seiner maximal grotesken Obszönität von Katar bis Instagram.
Die Wehmut in der Stimme von Clueso harmoniert kongenial mit den süffisanten Deichkind-Rhymes und vermittelt perfekt das emotionale Spektrum des Songs zwischen Bonzen-Larmoyanz und dekadenter Abgehobenheit der Supereichen bzw. deren völlig verloren gegangenen Realitätsbezug. »Ich kenne nur mehr, mehr / Doch mehr fällt mir nicht ein«, heißt es an einer Stelle zu einem hektisch zuckenden Bratzbeat, »Ich hab Klopapier von Gucci, schneid Delfine in mein Sushi«, an einer anderen.
Der Song erscheint zunächst am 26.01.2023 als Clueso-Single und am 17. Februar 2023 außerdem auf dem kommenden Deichkind-Album »Neues Vom Dauerzustand«. Er wird begleitet von einem herrlich dekadent-bescheuerten Hip-Hop-Performance-Fisheye-Video, für dessen Konzeption laut Deichkind-Regisseur La Perla die kreative Beschränkung als Chance genutzt wurde. „Wir wollten mit der teuersten, schwersten und umständlichsten Kamera der Welt drehen, die zudem auch nicht besonders gut ist. Mit dieser Kamera sollte es ein Video werden, welches man genauso gut mit jedem Handy hätte drehen können.“ sagt La Perla. „So wie Werner Herzog bei ‚Fitzcaraldo‘ unbedingt ein echtes Schiff über den Hügel ziehen musste, konnte dieses Video nur mit der Bentleykamera gedreht werden.“
Die Strategie geht auf, weil sie natürlich komplett zum Sujet des Songs passt – und so werden Video und Song zu einem interdisziplinären Dada-Popkommentar auf die Larmoyanz der superreichen Klasse, zu dem man trefflich tanzen kann und dessen Refrain einem nicht mehr aus dem Kopf geht.
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Quelle: Sony Music