Nicht mal zwei Jahre hat Apsilon gebraucht, um vom Geheimtipp zu einem der wichtigsten Akteure der New-Wave aus Berlin zu werden. Mit seinen gefeierten EPs „Gast“ und „32 Zähne“, sowie Collabos an der Seite von Xaver, Wa22ermann oder Ahzumjot, hat der Rapper aus Moabit sich längst einen Namen und deutlich gemacht, dass es an ihm kein Vorbeikommen gibt. Mit „Blei EP“ veröffentlicht der 25-Jährige dieser Tage seine neue EP.
„Die Songs auf ‚Blei‘ handeln von intergenerationale Struggles, die Gastarbeitendengeschichte meiner Großeltern und Eltern“, erklärt Apsilson. „Aber ich habe beim Schreiben gemerkt, wie auch die emotionale Ebene mehr und mehr eine Rolle gespielt hat. Deshalb geht es oft auch um die Auseinandersetzung mit meinen Gefühlen, das Verhältnis zu meiner Familie, aber auch Liebeskummer und Heartbreaks.“
So erzählt „Shoot“ zu atmosphärischen Beats vom Jagen nach Träumen und dem Laufen ohne Pause. Ballast im Kopf und trotzdem dankbar. Aber da geht noch mehr, in diesem Leben zwischen Sehnsucht nach gestern und einem besseren Morgen. Auf „Horoskop“ macht Apsilon zu einem laid back Instrumental Schluss mit Sternzeichenhokuspokus und ab jetzt nur noch, was sein Herz ihm sagt, bis es aufhört zu schlagen – und findet so Stück für Stück zu sich selbst. „90 Kilo“ mit Luvre47 ist eine echte Hymne für die Straße. Ein energiegeladener HipHop-Track, der die Hörer:innen mit seinen kraftvollen Beats und tiefgründigen Lyrics in seinen Bann zieht.
„Kadıköy Nights“ erzählt von endlosen Nächten unweit des Bosporus. In Istanbul, dieser Stadt, die nie schläft, aber in der man – nachdem ein Herz bricht – doch eine ganz besondere Ruhe findet, während „Zufall“ surreale Szenen einer zufälligen Begegnung liefert, die auch zufällig bleiben soll. Irgendwo in dieser asphaltfarbenen Stadt. Taube Tage, an deren Ende man immer wieder aufs Neue hinfällt, um überhaupt irgendetwas zu spüren außer diesem stechenden Schmerz in den Seiten vom Laufen auf der Stelle und der magenfüllenden Einsamkeit in den toten Nächten.
Und dann ist da noch „Ein Fuß vor den anderen“. Zu einem von Bazzazian produzierten Song erzählt Apsilon von Polizeigewalt und Mord an migrantischen Menschen. Von Blaulicht, das über Wände flackert und dem Drang sich zu betäuben, anstatt zur Therapie zu gehen, von transgenerationalen Traumata, den Feelings der Väter und was es mit den Kindern und deren Kindern macht, wenn niemand lernt, über sie zu reden. Also rennt Apsilon weiter mit Schwestern und Jungs durch die Gassen von 030. Mit Frust in der Brust und unter sich geblieben. In diesem Land namens Almanya, das einen nie geliebt hat. Müde vom wach sein, vom stark sein sowieso. Aber irgendwie muss man ja weitermachen und einen Fuß vor den anderen setzen. Immer und immer wieder. Solange, bis man irgendwann sechs davon unter der Erde liegt.
„Die EP trägt den Titel ‚Blei EP‘, weil es ein Wort ist, das man mit vielen verschiedenen Dingen assoziieren kann“, erklärt Apsilon. „Es hat eine gewisse Schwere, so wie viele der Themen auf den Songs. Im Türkischen gibt es die Tradition des Bleigießens – die Patronen einer Pistole sind aus Blei. Ich mochte, dass es eigentlich zu jedem der Song eine Verbindung gibt. Gleichzeitig wohnt vielen der Stücke auch Hoffnung inne.“
Die „Blei“-EP ist ein weiterer beeindruckender Meilenstein in der noch jungen Karriere von Apsilon. Als Sohn türkischer Eltern und Gastarbeitenden in Berlin-Moabit aufgewachsen, gibt es bei ihm Deutschrap mit antikapitalistischer Analyse ohne erhobenen moralischen Zeigefinger. Provokante Gesellschaftskritik ohne Kompromisse gegen weißdeutsche Bequemlichkeit und Resignation. Die Delivery ist die pure Wut, der Sound ist trappig und modern. Apsilon kommt leger um die Ecke und legt Basketballreferenzen neben Rassismuskritik, reiht geschickt deutsche Redewendungen aneinander, während er sie bricht und so mit der deutschen Sprache dribbelt.
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Quelle: © Sony Music