Moment mal – wieso nennt jemand seine EP not good at playing love songs, wenn er eigentlich nichts anderes macht als Liebeslieder zu spielen? Wäre das nicht in etwa so, als würde man einen brandneuen Sportwagen mit „Wir verstehen nichts von Autos“ bewerben? Oder das angesagte Szene-Restaurant mit „Keine Ahnung, ob’s schmeckt“?
Ja und nein. In der Welt von KAMRAD ist es nun einfach einmal so, dass Prahlerei peinlich ist und Selbstironie die wesentlich härtere Währung.
Das war auch schon so, als der 26-jährige Vollblutmusiker letztes Jahr die Top 20 Single I Believe veröffentlichte, die sehr schön und sehr treffend zum Ausdruck brachte, dass es manchmal schöner sein kann, sich ins Bett zu legen statt der großen Romanze hinterher zu jagen. Nimm das, Liebes-Leistungsdruck!
„Für mich ist es extrem wichtig, mit einer positiven Einstellung durchs Leben zu gehen und über mich selbst lachen zu können“, sagt KAMRAD. „Das versuche ich auch in meinen Songs unterzubringen. Alles hat immer zwei Seiten – und so kann es auch mal gut tun, zu lachen, wenn man eigentlich total wütend ist.“
Das Eingeständnis dieser Dualität trägt viel zum Charme seiner Musik bei. Weil das Leben eben nicht nur aus Go-Fight-Win-Mentalität besteht, sind bei KAMRAD die melancholischsten Momente in die lebenslustigsten Songs eingebaut – und umgekehrt.
„Ich finde klischeehafte Liebeslieder einfach langweilig und bin total schlecht darin, sowas zu schreiben“, sagt der Sänger. „Und deshalb versuche ich immer alternative, ungehörte Wege zu finden, das zu sagen, was man vermeintlich schon sehr oft gehört hat.“
Die neue EP ist das beste Beispiel dafür, wie sich ehrliche Emotionen auf eine Weise transportieren lassen, die lässig und leicht ist und trotzdem genauso direkt ankommt, wie sie gemeint ist. not good t playing love songs versammelt sechs Songs mit „elektronischer Popmusik mit schlechten Gitarrensounds“, wie KAMRAD es augenzwinkernd beschreibt, und fasst damit die aufregenden letzten achtzehn Monate in einer vielversprechenden Karriere zusammen.
Ein übergreifendes Thema in den Songs?
Freiheit und Identifikation.
Stücke wie „Never Get Older“, „Feel Like Summer“ oder die neue Single „I Hope You End Up Alone“ handeln von dem Gefühl, an der Schwelle von etwas Neuem zu stehen – randvoll mit Vorfreude, leicht gekitzelt von der Unsicherheit großer Entscheidungen. Und der berechtigten Frage: Wenn man alles fühlt, warum dann nicht auch alles sagen?
Bei KAMRAD kommen deshalb immer beide Seiten zu Wort: Liebe und Bindungsangst. Zuversicht und Zweifel. Selbstbewusstsein und Verletzlichkeit.
Vielleicht daher die Selbstironie? Daher die besondere Verbindung zum Publikum? Daher das Bedürfnis, das You in „You feel like summer to me“ sein zu wollen? Schwer zu sagen. Sicher ist nur, dass hinter diesen Songs ein Songwriter steckt, der Abstand zu sich selbst hat und seine Musik deswegen umso ernster nimmt.
Keine unaufrichtigen Phrasen, keine austauschbaren Ausschweifungen, keine anonymen Bekenntnisse.
KAMRAD hat eine Stimme, bei der man immer genau weiß, wem sie gehört. Und er ist ziemlich gut, was Liebeslieder angeht.
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Quelle: © Sony Music