ALBUM | Hot Milk „A Call To The Void“ | ab heute

Für manche Fans mag die Zeit bis zur Ankündigung eine halbe Ewigkeit gedauert haben. Für Hot Milk dagegen war immer klar, für die Aufnahmen zu ihrem Debütalbumrichtig gewappnet und wirklich bereit sein zu wollen. „A Call To The Void“ ist ein Werk, mit dem die Briten nun ihr bisher lautestes und eindrucksvollstes Statement abgeben, wer sie sind und wofür sie stehen. Die perfekte Gelegenheit, der ganzen Welt zu demonstrieren, woraus sie gemacht sind.

Mit ihren neuen Songs wandelt die Formation auf dem schmalen Grat zwischen Humor und Ernsthaftigkeit; randvoll geladen mit einer Energie, die man wohl als positiven Nihilismus bezeichnen könnte. Mit anderen Worten: Hier geht es nicht so sehr darum, das Licht in der Dunkelheit zu finden, sondern über die Schwärze zu lachen. Denn würde man nicht lachen, dann müsste man wohl heulen.

So wie auf der furiosen ersten Singleauskopplung „Horror Show“: „Für alle, die von außen auf unseren Lebenswandel blicken, mögen wir ein wenig seltsam, furchteinflößend und sehr anders wirken… na und?“, zuckt Sängerin/ Gitarristin Han Mee mit den Schultern. „In ihren Augen sind wir wahrscheinlich verflucht, verloren und rebellisch. Dieser Song handelt davon, dass wir diese Unterschiede nicht nur akzeptieren, sondern regelrecht lieben und sie ihnen postwendend zurück in ihre Gesichter schieben. `Horror Show` soll ganz bewusst anstößig und aggressiv sein; außerdem haben wir unsere Vorliebe für Drum `N Bass mit dreckigen Gitarrenriffs verbunden. Fuck it, wir sind wer wir sind. Ob es euch gefällt oder nicht.

Mit drei in Eigenregie produzierten EPs stehen Hot Milk seit 2019 im Rampenlicht der Öffentlichkeit – und der weltweiten Bühnen, auf denen sich die Formation zuhause fühlt. Ein konstantes Wachstum, das dem Quartett gefeierte Support-Slots für die Stadien-Shows der Foo Fighters und Auftritte auf den Hauptbühnen einiger der weltweit renommiertesten Festivals, einen Auftritt bei Jimmy Kimmel, gemeinsame Touren mit Größen wie Pale Waves, diverse ausverkaufte eigene Headliner-Konzerte und nicht zuletzt über 50 Millionen Streams ihrer EPs eingebracht hat. Nichts desto trotz haben es Hot Milk vollbracht, sich bei all diesem Hype den Raum zu geben, sich als Künstler selbst zu finden und zu definieren.

Das Debütalbum „A Call To The Void“ wurde zwischen Manchester, Los Angeles und Stockholm aufgenommen; ein Großteil der Songs entstand erneut unter der Aufsicht von Bandmember Jim Shaw, der sich bereits für die vorherigen Releases verantwortlich zeichnete – mittlerweile für die Band ein wichtiges Element, das der Formation ermöglicht, sich künstlerisch komplett auszuleben und die volle Kontrolle über ihre Vision zu behalten.

Andere Albumtracks wie „Breathing Underwater“ zeigen Hot Milk und besonders Han auf einem emotionalen Tiefpunkt. Ein Song, den Jim mit den Worten „man fühlt sich komplett überfordert und ertrinkt im eigenen Selbstzweifel“ beschreibt. „Ich wollte einfach nur weglaufen“, ergänzt Han. „Im Meer abtauchen und nie wiederkommen. Ich wollte nichts mehr fühlen – jede Emotion war zu schmerzhaft. Ich kam mir wie eine Versagerin vor und spürte gleichzeitig einen enormen Druck auf mir. Ich hatte keinen Plan, was ich tun oder wie ich das kanalisieren sollte.“ Eine Art der Dunkelheit, die Hot Milk in Kreativität transformierten. „Daraus entstand ein wirklich wunderschöner Song. Darum ist Kunst so wichtig – sie ermöglicht uns, all diese Gefühle rauszulassen.

Eine Denkweise, die auch die Wahl des Albumtitels inspirierte. So stellt „A Call To The Void“ die englische Übersetzung der französischen Redewendung l`appel du vide (Der Ruf der Leere) dar, die den plötzlichen Impuls beschreibt, sich selbst das Leben zu nehmen. So wie den unheimlichen Gedanken, sich vor den nächsten Zug zu werfen und seinem Leben innerhalb eines Herzschlages ein abruptes Ende zu setzen, während man auf dem Bahnsteig auf die Einfahrt wartet. Ein kurzer Moment, in dem man der eigenen Verletzlichkeit und Vergänglichkeit gewahr wird.

Der Track „Party On My Deathbed“ dagegen pulsiert nur so vor Lebendigkeit, während er von einer bemerkenswert konsequenten Hemmungslosigkeit getrieben wird. „Es geht um die Tatsache, nur einmal zu leben; also sollte man sein Leben um jeden Preis auskosten“, so Jim weiter, bevor Han zu bedenken gibt, dass bei der ultimativen Party bis zum Ende auch ein recht destruktives Element mitschwingt. „Zu der Zeit, als ich den Text schrieb, habe ich mich durch Manchesters Unterwelt treiben lassen und die Nächte bis früh morgens durchgemacht. Irgendwann wird einem alles egal. Man selbst und auch, was mit einem passiert. Trotzdem macht man weiter.

Trotz alldem stellt sich das Album einmal mehr als augenzwinkerndes Werk nach liebgewonnener Hot Milk-Manier dar, deren Sinn für typisch britischen Humor immer wieder in den Lyrics durchblitzt. „Slowthai und AJ Tracey sind tolle Beispiele, wie clever man den britischen Slang mit irgendwie verdrehten Metaphern aus dem britischen Alltag mixen kann“, erklärt Jim. Ein weiteres Album-Highlight stellt das Alt-Pop-beeinflusste „Bloodstream“ dar, das Hot Milk ganz bewusst für die große Bühne komponiert haben.

Bei Livekonzerten fühle ich mich am glücklichsten, die Bühne ist mein Zuhause“, so Han über die neuen Songs, die wie dafür gemacht sind, aus riesigen Boxen ein Livepublikum zu beschallen, das jeden Refrain enthusiastisch mitsingt. Eine Fan-Community, auf die Hot Milk zu recht stolz sind. „Wir haben die Songs geschrieben, damit die Leute dazu so richtig abgehen. Sie sollen Spaß haben, in der Menge ausrasten, auf die Schultern ihres Nachbarn klettern und alles rauslassen, schreien, heulen, feiern. Das ist unsere Art von Kirche.
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Quelle: © Sony Music