SINGLE | Tim Baldus „Letzter Zug“ | im Handel

Den ersten Zug nahmen sie gemeinsam, da waren sie noch wie Brüder — jung, dumm, naiv, auf der Suche nach Abenteuer. Irgendwann dann: die folgenreiche Entzweiung. Einer stieg gerade noch rechtzeitig zu, in die Bahn Richtung geordnetes Leben — der andere entschied sich für die Fahrt an die äußerste Grenze, das Blitzlicht des Nachtlebens, den Rausch, die Wärme in Flaschen. Klar: diese Geschichte ist nicht neu, ist an etlichen Orten der Welt immer wieder passiert. Und dennoch wurde sie selten so kolossal und packend, so unmittelbar und poetisch erzählt, wie in »Letzter Zug«, der neuen Single von Tim Baldus. Er selbst ist Teil dieser Geschichte, stand am Gleis und zog weichen Rauch in seine Lungen, spielte Verstecken mit seinem Elternhaus und träumte von der Ferne — wie das Teenager eben so machen.

»Letzter Zug« klingt zunächst wie ein nostalgisches Back-In-The-Days, eine romantisierend-augenzwinkernde Darstellung jener Tage, eine Ode auf die Jugend. Dann jedoch, am Gipfelpunkt des ersten Refrains, bekommt das Stück plötzlich einen bitteren Beigeschmack: »irgendwann warst du weg, ganz egal wo ich such’«. Spätestens hier wird klar: Tim Baldus hat seinen Seelenverwandten von einst verloren, an die Substanzen, die Einsamkeit, die kalten Matratzen. »Letzter Zug«, die zweite Single in Tim Baldus’ junger Karriere, ist die nahegehende Konservierung einer süßsauren Freundschaft, die heute »Lichtjahre entfernt« scheint. Gleichzeitig klingt sie wie eine Warnung — vor all dem Gift, das Glanz aus den Augen löscht und »macht, dass du vergisst«. Wenn Tim Baldus mahnt, tut er dies frei von jeglichem Dogmatismus und verpackt in eine schon jetzt unverwechselbare Bildsprache voll von ungekünstelter Doppeldeutigkeiten und graziler Tragik. Lyrisch erinnert »Letzter Zug« an eine Rap-Ballade höchster Klasse, musikalisch lebt der Song von Tim’s kratziger Gesangsstimme und reduziert-nebligem Gitarrenspiel. Zum Finale des Songs hin entlädt sich das eingängige Riff in einem anschwellend-abgetönten Bass Gewitter, in das schlussendlich auch laue Drums platzen.
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Quelle: © Warner Music