Sie fühlte es schon als Kind, dass sie zum Opernsingen geboren sei. Nun legt Nadine Sierra, die junge lyrische Sopranistin aus Florida, ihr zweites Soloalbum vor. Made for Opera heißt es – gemacht für die Oper, ein Titel, der ihr Selbstverständnis spiegelt. Es erscheint am 4. März 2022 bei Deutsche Grammophon. Verdis Violetta, Donizettis Lucia und Gounods Juliette hat sie für ihre Aufnahme ausgewählt und mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai und der Capella Cracoviensis unter der Leitung von Riccardo Frizza eingespielt. Sierra beweist ihr Können in schwierigen Partien. Zum Ausdruck bringt sie es in bravourösem Belcanto, aber auch im bewegenden Drama, denn in ihren Interpretationen offenbart sie das Seelenleben dieser Heldinnen aus La traviata, Lucia di Lammermoor und Roméo et Juliette.
Violetta, Lucia und Juliette scheitern an den gesellschaftlichen Konventionen ihrer Zeit, sie dürfen ihr Leben nicht selbst bestimmen. Für Sierra haben diese Schicksale eine persönliche Bedeutung. Ihre Großmutter, erzählt sie, sei eine begabte Sängerin gewesen, die die Familie daran hinderte, eine professionelle Karriere anzustreben. Sie musste tun, was sich gehörte, und Hausfrau bleiben wie viele Frauen ihrer Generation. Doch das Opfer blieb nicht unbemerkt, Sierras Mutter sah es und korrigierte es durch ihre Tochter, sie förderte sie in ihren künstlerischen Ambitionen.
»Was meiner Großmutter verwehrt blieb, war mir möglich«, sagt Sierra. »Dieser Weg erlaubt es mir, gesehen und gehört zu werden und in meiner künstlerischen Arbeit noch über das hinauszustreben, was ich als Frau unserer Tage bereits erreicht habe. Vielleicht ermutigt es junge Frauen, nach den Sternen zu greifen. Ich hoffe, dass ich mit meiner Geschichte und der meiner Familie all jenen helfen kann, die nach Inspiration suchen – weil sie ihren Weg gehen und ihr Schicksal in die Hand nehmen möchten, um für sich selbst herauszufinden, ob sie ›wie gemacht‹ sind für etwas.«
Das Album eröffnet mit »È strano! È strano!« der Pariser Kurtisane Violetta Valéry, die darüber nachdenkt, ob sie sich der Liebe zu Alfredo Germont hingeben soll oder ungebunden bleibt. Im Lauf der Oper macht die Figur eine dramatische Entwicklung durch und Verdi schrieb expressive vokale Virtuosität in die Noten dieser Partie. Sierras Arienfolge seines Werks endet mit dem herzzerreißenden »Addio, del passato bei sogni ridenti« der sterbenden Violetta, die sich von ihren Träumen verabschiedet.
Ebenso entwickelt sich Sierras ergreifende Verkörperung der Lucia von der Unschuld eines jungen verliebten Mädchens in »Ancor non giunse … Quando, rapito in estasi« bis hin zur emotionalen Wucht der berühmten »Wahnsinnsarie« »Oh, giusto cielo! … Il dolce suono« aus dem letzten Akt von Donizettis Oper. »Zweifelsohne ein Triumph«, urteilte Seen and Heard International über die jüngste Aufführung der Sopranistin im Liceu in Barcelona.
Die dritte Heldin des Albums, Juliette, wird Opfer von Familienfehden. Gounods fünfaktige Oper, geschöpft aus der berühmtesten Liebesgeschichte der Welt, Shakespeares Romeo und Julia, enthält den Walzer »Je veux vivre«, eins der Paradestücke für Koloratursopran, ebenso wie das emotional komplexe »Amour, ranime mon courage«. Sierra zeigt ihr wandlungsfähiges Talent in dieser anspruchsvollen Rolle zwischen Lebenslust und Tragik.
»Alle drei Rollen stellen große Herausforderungen an die Stimme«, erklärt sie, »aber eben diese Herausforderungen lassen die Frauen zugleich lebendig werden. Ihre Geschichten berühren die Hörer von heute genau wie die Hörer von damals vor 150 Jahren, als die Werke auf die Bühne gebracht wurden – vielleicht sogar noch mehr.«
Die Entstehung des Albums ist aber auch inspirierenden Frauen aus dem wirklichen Leben zu verdanken: Teresa Stratas und Renata Scotto. Sierra sah sie im Alter von zehn Jahren in ihrer ersten Oper. Ihre Mutter hatte Zeffirellis La Bohème als Video aus der Bibliothek ausgeliehen. Auch Marilyn Horne zählt zu Sierras Vorbildern, sie war eine Mentorin der Sängerin. »Es war ein Privileg, von diesen großartigen Frauen lernen zu dürfen«, sagt sie. »Durch sie habe ich begriffen, was man alles braucht für diesen Weg: Hingabe, Leidensfähigkeit, Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen, Geduld und Leidenschaft für die Sache. Nur so kann man es schaffen und ›wie gemacht sein für die Oper‹.«
Nadine Sierra ist in dieser Spielzeit in drei Produktionen von Lucia di Lammermoor in der Partie der Lucia zu sehen. Sie steht ab dem 15. Januar 2022 auf der Bühne des Teatro San Carlo in Neapel. Im März geht sie an die Bayerische Staatsoper für Barbara Wysockas hochgelobte Produktion, bevor sie im April nach New York reist, um in der neuen Inszenierung von Donizettis Meisterwerk an der Metropolitan Opera zu singen.
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Quelle: Deutsche Grammophon | Promotion Werft