ALBUM | Florian Künstler „Gegengewicht“ | ab heute

In den letzten drei Jahrzehnten wurde FLORIAN KÜNSTLER einige Male gerettet. Vor sich selbst und gefährlichen Einflüssen – vorm Aufgeben, vorm Untergehen und vor der Angst. Die Biografie des norddeutschen Songwriters reicht von schweren Jahren als Pflegekind über Zeiten auf der schiefen Bahn und in dunklen Paniknächten bis hin zum Ankommen auf der gleißend hellen, großen Bühne.

Mehr als genug Material für Songs, die weit unter jede Oberfläche reichen und Schätze bergen, die aus Lebenserfahrung und Selbstvertrauen bestehen. Mit diesen Perlen im Seesack ist KÜNSTLER unterwegs, um etwas davon zurückzugeben und mit seinen Songs Teil der Rettung anderer zu sein.

Ich habe schon vor einiger Zeit angefangen, offen über alles zu sprechen. Einerseits, weil ich nicht darüber nachdenken möchte, was ich sagen darf oder sollte und weil ich heute weiß, dass man weiterkommt, wenn man einfach ehrlich ist.“ Das setzt den Ton für ein Gespräch mit FLORIAN KÜNSTLER und den Blick in ein Musikerherz, das nicht ohne Abgründe ist. Die ersten Jahre seines Lebens erlebt Florian eine Odyssee an Unterbringungen, weil seine leibliche Mutter sich nicht um ihn und seine Schwester kümmern kann. Als ihn seine Pflegefamilie, die er als einzig wahre Familie betrachtet, mit Sieben aufnimmt, ist das seine erste Rettung. „Ich hatte nie dieses Urvertrauen, das die meisten Menschen haben. In Ratekau habe ich dann endlich das erlebt, was man eine schöne Kindheit nennt: mit Skateboard, besten Freunden und der unmittelbaren Nähe zum Meer.

Aber die Vergangenheit holt Florian ein und er gerät ins Schlingern. „Mit dem Erwachsenwerden kamen Hindernisse und ich hatte keine Strategie dafür. Meine Eltern haben getan was sie konnten, aber ich habe so viel Mist gebaut, dass sie nicht anders konnten, als mich rauszuwerfen.“ Von einem Tag auf den anderen zieht er in eine Ein-Zimmer-Wohnung und ist auf sich allein gestellt. „Ich fing ein paar Ausbildungen an, aber brach alle wieder ab, weil ich keine Ahnung hatte, was ich wollte – ich wusste immer nur, dass irgendwas nicht passt und brauchte natürlich Geld zum Leben.“ So beginnt mit 18 das, was er seine „Chaos-Zeit“ nennt und er gerät unter den Einfluss eines Menschen, durch den er beinahe alles verliert. Seine zweite Rettung besteht aus der Flucht in Filme und eigene Texte, die er nachts am offenen Fenster schreibt. Und einem alten Freund.

Wir haben damals schon ab und zu kleine Shows gespielt und er fragte mich eines Tages, ob wir mehr Musik zusammen machen wollen und ich in seine WG ziehen will – unter der Bedingung, dass ich mein Leben aufräume.“ Das war der Weckruf, den er brauchte: Florian holt seinen Abschluss nach, macht eine Ausbildung zum Rettungssanitäter und trennt sich von seinem alten Umfeld. Die folgenden vier Jahre prägen den jungen Mann nachhaltig: „Es war eine intensive Zeit, in der mir bewusst geworden ist, wie schnell alles vorbei sein kann und wie wichtig es ist, dass wir ein bisschen besser aufeinander aufpassen. Aber es war auch ein tolles Gefühl, Menschen helfen zu können.“ Wer weiß, ob KÜNSTLER nicht dabeigeblieben wäre, wäre da nicht noch die Leidenschaft für die Musik gewesen. Songs zu schreiben und auf der Bühne zu stehen wird immer wichtiger und fordert andere Arbeitszeiten ein. Er bleibt im Gesundheitswesen, weil ihm der soziale Aspekt am Herzen liegt, wechselt aber zu einer Anstellung als medizinischer Bademeister und macht in jeder freien Minute Musik. „Ich habe mich in dem Team sehr wohlgefühlt und es war in der Hinsicht eine der glücklichsten Zeiten meines Lebens, aber ich hatte immer das Gefühl, dass da noch mehr ist.

Mit dem Freund am Mikro und Coversongs aller Genres im Repertoire sammelt Florian jede Menge Erfahrungen als Straßenmusiker und verliebt sich in den unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum – er wird regelrecht süchtig danach. Als der Bandkollege aussteigt und in eine andere Stadt zieht, ist Florian zum ersten Mal allein unterwegs und beginnt mit einem Berliner Produzenten an eigenem Songmaterial zu arbeiten. „Wir haben Demos gemacht und an Labels geschickt, aber es ist nie etwas zurückgekommen. Ich habe aber nicht aufgegeben und immer wieder Klinken geputzt, und jede Session, jeden Slam mitgenommen. Irgendwann lernte ich durch einen Song-Pitch für einen anderen Künstler mein späteres Management kennen und endlich kam etwas in Gang.

FLORIAN KÜNSTLER unterschreibt einen Verlagsdeal und verdient zum ersten Mal wirklich Geld mit Musik – aber lange nicht genug zum Leben. Während er sich wie vom stärksten Magneten angezogen immer weiter Richtung Bühne bewegt und sich sein altes Leben erneut Stück für Stück auflöst, stellt er die beruflichen Weichen noch einmal neu. Er bewirbt sich als Schulhelfer, weil er dort vor allem vormittags arbeiten kann und an den Wochenenden und in den Ferien viel Zeit für Musik ist – und er bleibt sich treu: „Der Job war schlechter bezahlt, aber ich haben ihn sechs Jahre lang super gerne gemacht. In der Zeit habe ich vor allem autistische Kinder betreut, was viel Geduld verlangt, aber auch ganz besondere Erfahrungen mit sich bringt. Ich glaube, ich kann mich auch aufgrund meiner eigenen Geschichte gut in diese Menschen hineinversetzen und wenn es dann gelingt, eine Beziehung aufzubauen, ist das ein Erfolg, der einen sehr glücklich macht.

Gleichzeitig nimmt seine Karriere immer weiter Tempo auf und stellt große Träume in Aussicht, die die Pandemie 2020 brutal ausbremst: „Ich hatte quasi zwei Leben gleichzeitig und alles gegeben, als auf einmal der Lockdown kam und keiner wusste ob und wie es musikalisch weitergeht. Ich bekam Panikattacken und es war eine wirklich schlimme Zeit, in der mich auch meine Arbeit an der Schule gerettet hat. Parallel habe ich zum zweiten Mal eine Therapie gemacht und war diesmal absolut ehrlich. Ich habe nichts ausgelassen und alles ausgesprochen – das war die Lösung für viele meiner Probleme, auch wenn ich noch einen Weg vor mir habe. Richtig rausgekommen aus den dunklen Nächten bin ich aber durch die Erkenntnis, dass ich mit meinen Ängsten nicht allein bin. Durch Podcasts und andere Foren wurde mir klar, dass so viele andere auch schlaflose Nächte und Herzrasen haben, das hat mir geholfen, das große Tier Angst in die Flucht zu schlagen.

Es ist diese Verbundenheit mit allen Menschen, sein Verantwortungsgefühl und das tiefe Verständnis für verborgenen Schmerz, der KÜNSTLER über die Pandemie hinaus in seinem Beruf als Schulbegleiter gehalten hat. „Es war mir wichtig, mein letztes Kind bis zur Selbstständigkeit zu begleiten und auf keinen Fall im im Stich zu lassen – auch wenn die Musik vielleicht schon früher mehr Zeit gebraucht hätte. Diesen Sommer war es dann soweit, dass ich das Mädchen mit einem guten Gefühl ins Berufsleben verabschieden konnte und mich voll auf die Musik konzentrieren. Es ist das erste Mal, dass ich nur diese eine Sache mache.“ Erst mit 38 Jahren also, und mit so vielen unterschiedlichen Leben im Gepäck, hat FLORIAN KÜNSTLER jetzt die Freiheit, ganz Musiker zu sein. „Wenn man mit 20 Euro im Monat auskommen muss und ganz unten ist, kann einen nicht mehr viel schocken. Ich habe keine Angst zu scheitern, weil ich immer wieder aufstehe. Das ist eine Kraft, die ich durch meine Songs weitergeben möchte. Ich würde gerne eine Kettenreaktion aus Trost und Mut auslösen – so wie die, die mich selbst während der Lockdowns gerettet hat.

Den Anstoß dazu hat FLORIAN KÜNSTLER mit KLEINER FINGER SCHWUR schon gegeben: Der hoch gehandelte Single-Vorbote von GEGENGEWICHT, seinem Debütalbum, das am 22. September 2023 erscheint. Der zu 100% autobiografische Song über ein Versprechen, das seine Freundin und er sich für die Ewigkeit gegeben haben, veröffentlichte er in Eigenregie und traf damit einen Nerv. Der Song explodierte auf allen Kanälen und die Reaktionen waren so überwältigend, dass klar war: Das hier wird gebraucht. Diese Songs und dieser Songwriter sind das musikalische Antidot zu Zeiten, in denen so Viele den Halt verloren haben. Dafür arbeitet KÜNSTLER wie ein Besessener und stemmt Socia Media als Autodidakt: „Ich bin eigentlich gar kein technischer Mensch, aber ich liebe Filme und habe vielleicht einen Blick dafür – den Rest habe ich mir nächtelang selbst beigebracht. Ich habe mir ein Schnittprogramm besorgt, in gutes Equipment investiert und mich da reingefuchst. Meine Nische bei TikTok und Co. musste ich mir erst mal suchen, weil ich keine Lust auf Tanzen oder Werbung für irgendwas habe – aber es gibt auch da eine Bubble für die Dinge, die mich berühren. Mittlerweile filme ich immer wieder zwischendurch, was gerade etwas schön ist und schneide es dann später mit meiner Musik zu etwas zusammen, hinter dem ich stehen kann.

Die perfekte Balance haben auch die 14 Songs des kommenden Albums: „Meine Songs waren immer das GEGENGEWICHT zu den schweren Zeiten und mich bei Menschen, die mir wichtig sind, sicher zu fühlen, hat meine Angst besiegt.“ KÜNSTLERs Lieder sind direkt und uneitel, aber nie eindimensional und spätestens, wenn bei seinen Auftritten das gesamte Publikum beseelt mitsingt, ist es unüberhörbar: FLORIAN KÜNSTLER mag musikalisch ein Spätzünder sein – aber einer, dessen Herz lichterloh brennt und uns mit seinem GEGENGEWICHT in die richtige Richtung lenkt.
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Quelle: © Electrola | Promotion Werft