Album | Goldfrapp „Tales Of Us“ | ab heute

Schneller als sie dachten, kurz nach Abschluss der Tourneen zu ihrem letzten Album, Head First, trafen Alison Goldfrapp und Will Gregory in ihrem Bristoler Studio-Habitat zusammen, um gemeinsam an neuen Songs zu arbeiten: “When you’re relaxed and confident you can excavate places you may not have dared go before”, sagt Alison. Es liegt also eine gewisse paradoxe Folgerichtigkeit in der Tatsache, dass Tales Of Us, das neue Album, just jetzt Richtung Dunkelheit abbiegt – an einem Punkt, an dem Alison persönlich ausgeglichen und gefestigt dasteht wie selten zuvor. Obwohl Goldfrapp in der Außenwahrnehmung in erster Linie von Alison geprägt sind, legen sie und Will dennoch viel Wert darauf, ihren arbeitsteiligen Ansatz zu betonen. Jeder Aspekt des Songwritings und der Produktion wird gemeinsam erarbeitet.

In der Genealogie der Alben schließt Tales Of Us an das traumwandlerische, akustische, Lynch-artige Debütalbum Felt Mountain an, und an Seventh Tree, das sinnliche 2008er Album, das zum ersten Mal alles auf den Kopf stellte, was man zuvor über Goldfrapp zu wissen geglaubt hatte. Ähnlich wie bei Beck oder Nick Cave, gibt es auch bei Goldfrapp jenen fast schizophrenen Wechsel ihres soundästhetischen Ausdrucks; auf der einen Seite den dringlichen Rhythmus des Disco-Acts, der, durch Hits wie „Strict Machine“ und „Ooh La La“ fegte und sein Spiegelbild in den all-dressedup Fantasien des Glamrock fidnet. Auf der anderen Seite Alben wie Tales Of Us: „I’m drawn more and more to the intimacy and simplicity of the voice & guitar”, sagt Alison.

Es ist ein Album, das durchdrungen ist von mäandernden Melodien mit Hang zu den schwarzen Tasten der Klaviatur. Die Geschwindigkeit hebt nur an beim pulsierenden “Thea” – und selbst hier folgt der Rhythmus der Stimmung des Stückes, in der ein Ehemann und dessen Geliebte den Tod seiner Frau planen: „I allowed myself to be the woman or the guy in the song.“ Es ist nicht der einzige todbringende Moment auf “Tales Of Us”. Ein Mörder ist auch der Freund der jungen, zum Scheitern verdammten Schauspielerin in „Laurel“. „Clay“ wiederum handelt von zwei jungen Männern, die sich zu Kriegszeiten ineinander verliebten. “It’s a true story,” sagt sie. “They became lovers and desperately wanted to meet again after the war but tragically one had died in battle. I read a letter by the man who wrote it on the anniversary of the other’s death, as if he was writing to him. This letter of these two men moved me to tears. It was so visual and sweet and touching and absolutely tragic.”

Man kann zu Recht behaupten, dass keines ihrer vorangegangenen Alben die lyrischen Welten vorwegnahm, die ihr jüngstes Werk ausmachen. Es ist fraglos ihr bis dato erzählerischstes, kinematografischstes und intimstes Album. Fast ausnahmslos alle Stücke sprechen aus der Perspektive der 1. Person und zeichnen bewegende Charakterbilder; Reflexionen über abseitige Liebesaffairen, Ungewissheiten, Halluzinationen, Märchen und moderne Moritaten, aber auch Momente von Erlösung, geronnen in Songs, in Poesie, die Goldfrapps Musik an bislang unbekannte Orte führen: „I am interested in horror, psychologically. Not blood and guts. That’s too literal. I like the horror of the mind.” So fand sich Alison über einen zwei Jahre dauernden Aufnahmeprozess hinweg umgeben von den verschiedenen Charakteren, die “Tales Of Us” bevölkern.

Den Impuls, offenere und tiefere Formen des Ausdrucks zu finden und nicht zuletzt auch Konzepte von Identität zu hinterfragen, hatte Alison bereits auf der letzten Tour zu Head First: „What interests me is the idea of not being one thing. I can’t get my head round the idea of being one thing. Pop music at its best is notoriously noble at verbalising the black and white of our emotional states. Goldfrapp is notoriously nimble at finding the grey spots.”

Zugleich sind die neuen Texte Ausdruck von Alisons wiederentdeckter Liebe zu Kino und Literatur, allen voran ihrer neu entdeckten Leidenschaft für Patricia Highsmith: „She has some really evil little stories.“ Die uneindeutig zwischen den Geschlechtern angesiedelte Figur „Annabel“ wiederum beruht auf dem gleichnamigen Roman von Kathleen Winter.

Die starke filmisch-fiktionale Komponente von Tales Of Us führte Alison, die seit jeher die Verantwortung für die visuelle Seite Goldfrapps getragen hat, dazu, ihre Partnerin, die Filmemacherin Lisa Gunning um die Visualisierung zu bitten. Derzeit schließt Lisa gerade eine Reihe von fünf Kurzfilmen ab, die fünf Titel des Albums visuell begleiten werden. “She’s done such a beautiful job of it. Will and I trusted her implicitly with them
but from what we’ve seen so far they’ve exceeded every one of our expectations”, sagt Alison.

Die Liveaufführung von Tales Of Us begann Mitte Juli 2013 mit zwei Vorführungen im Rahmen des Manchester International Festivals. Begleitet werden Goldfrapp hierbei von dem 23-köpfigen Royal Northern Acadamy Of Music Orchestra.

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Quelle: Mute | ADD ON MUSIC