Spätestens nachdem die „BAP zieht den Stecker“-Tour Anfang September 2014 auf dem Bochumer Zelt-Festival zu Ende gegangen und der Live-Mitschnitt aus der Kölner Philharmonie auf Platz 1 in die Charts eingestiegen war, musste ich mir Gedanken machen, wie es denn nun weitergehen sollte.
Fest stand, dass ein spielfreies Jahr vonnöten war, um Kraft für kommende Aufgaben zu tanken und – möglicherweise – Material für unser 18. Studio-Album zu sammeln. 2016 würde meine kleine Rock`n`Roll-Band auf vier Jahrzehnte zurückblicken können und selbstverständlich würden wir dieses Jubiläum erneut mit einer sogenannten Greatest Hits Tour feiern. Was zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keiner beantworten konnte, war die Frage, ob mir nach all den Rückblicken und Resümee-Texten auf „Halv su wild“ tatsächlich genug einfallen würde, um ein relevantes Album zum Jubiläumsjahr zu wagen.
Zugegebenermaßen lief ich die ersten Wochen ziemlich verunsichert durch die Gegend. Nach der Tour hatte ich mich in die Türkei verdrückt und hier lauerte ich ungewohnt verkrampft auf die entsprechende Eingebung. Aber kaum hatte ich einen Vierzeiler zu Papier gebracht, kam er mir auch schon irgendwie bekannt vor. So ging das circa vier Wochen und so langsam redete ich mir eine ausgewachsene Schreibblockade ein, bis mich am Vortag meiner Heimreise doch noch die Muse küsste und mir 80 Prozent eines Liedes einfielen, welches für mich seitdem als kleiner Bruder der rot-weiß-blau quergestreiften Frau gilt. Die fehlenden 20 Prozent kamen noch während des Rückflugs hinzu, sodass ich, in Köln angekommen, tatsächlich den ersten Song für ein weiteres reguläres BAP-Album im Gepäck hatte. Der Knoten war anscheinend geplatzt.
Ab Mitte Oktober trafen dann auch nach und nach die Demos der bandinternen Komponisten ein. Allen voran die von Ulle und Anne, die das anvisierte Album auch produzieren würden. Vorerst aber waren die beiden mit Bosse auf Unplugged-Tour unterwegs, weshalb sie zwangsläufig ihre Demos im Nightliner aufnehmen mussten. Dennoch reichten diese noch groben Entwürfe vollends, meinen Ideenfluss nicht versiegen zu lassen. Im Gegenteil, vom frühesten Moment an, wo ich die ersten Musiken vorliegen hatte, habe ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet, ob er weiterfließen würde. Ich war im Gleichgewicht.
Im Dezember bereits und ein zweites Mal im März bin ich nach Hamburg gefahren, um im BluHouse meine neuen Texte auf provisorischen Playbacks auszuprobieren, Tonarten zu bestimmen und eventuelle Änderungen vorzunehmen. Im Mai sind wir dann mit vollständiger Besetzung ins Hamburger GAGA-Studio gezogen, wo die hervorragend vorbereitete Band in Rekordzeit die Grundtakes und einige Overdubs einspielte. Meinen Gesang haben wir direkt in einem Aufwasch mit aufgenommen. Alles, was danach noch aufs Band kam, passierte wieder in Ulles und Annes eigenem Studio. Das meiste davon von ihnen selbst gespielt, aber auch die wenigen Gastmusiker wie z. B. der Calexico-Trompeter Martin Wenk und der „Von Brücken“-Sänger Nicholas Müller, der mir beim Refrain von „Herrjott“ half, wurden dort aufgenommen. Mal ganz zu schweigen von all den Menschen, die Anne für den Sankt-Florian-Chor rekrutierte. Momo Djenders, afrikanischer Klagechor für „Vision vun Europa“, wie auch Ephraim Salzmanns Hackbrett auf „Schritt für Schritt“ waren vorproduziert und wurden im BluHouse an den vorgesehenen Stellen eingefügt.
Im Juli bin ich dann nach NYC geflogen, um Stewart Lerman auf die Geschichten der einzelnen Songs einzuschwören, damit er das Album so songdienlich wie möglich abmischen konnte. Ihn mit dieser Aufgabe zu betreuen, war die Idee unseres Produzentenpaares. Schließlich hatte Stewart mein letztes Solo-Album „Zosamme alt“ sowohl aufgenommen
wie auch abgemischt und somit bei BAP unbewusst die Weichen gestellt.
Am 15. Januar wird „Lebenslänglich“ erscheinen und dann dauert es immer noch vier Monate, bis wir wieder auf die Bühne dürfen. Wir können es kaum erwarten!
Wolfgang Niedecken
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Quelle: Universal Music | Promotion Werft